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Montag, 29. Dezember 2014

Hamburger Kunsthalle - Teil 3

Studien des 19. Jahrhunderts 

Heute möchte ich einige Studien aus dem 19. Jahrhundert vorstellen. Sie alle waren nie als eigenständige Bilder gedacht, sondern galten entweder der Fingerübung, als Vorbereitung eines ausgeführten Gemäldes oder sie waren einfach nur ein schöner Zeitvertreib für die Künstler. Dass sie jemals in einem Museum ausgestellt werden, war für die Maler undenkbar.

Moritz von Schwind (1804 - 1871):
Moritz von Schwind war bestimmt nicht der beste Maler seiner Generation, aber einer der beliebtesten. Seine Illustrationen zu den Märchen und Sagen deutscher Sprache waren in jedem Haushalt zu finden. Die unvollendete Studie war vielleicht als kleines Geschenk für seinen Lehrmeister Carolsfeld gedacht. Man kann gut den Entstehungsprozess solch eines Werks, mit Untermalung in Grisailles, erkennen.

Moritz von Schwind - Die fünf Ältesten Kinder des Malers Julius Schnorr von Carosfeld (1838 - 40)

Franz von Lenbach (1836 - 1904): 
Dieses kleine Bild Lenbachs ist ein Pendant zu dem ähnlichen Bild des Hirtenjungen in der Schaak-Galerie (siehe hier). In jungen Jahren zog es den Malerfürsten oft in die Natur, wie die schöne Freilichtstudie einer Heuernte zeigt. Später war er eher ein malerischer Stubenhocker, der sich fast ausschließlich auf Porträts konzentrierte.

Franz von Lenbach - Der rote Schirm (um 1860)

Johan Christian Clausen Dahl (1788 - 1857):
Eine typische Landschaftsstudie mahlte Dahl vom Neustädter Elbufer seiner Wahlheimat Dresden. Sie wird an einem frühen Abend am Fluss selber entstanden sein. 

Johan Christian Dahl - Elbe und Neustädter Ufer in Dresden im Abendlicht (1837)

Gotthardt Kuehl (1850 - 1915):
Von Gotthardt Kuehl sind viele Kirchen-Innenansichten erhalten. Welchen Status er den beiden Studien der Hamburger Kunsthalle beimaß, weiß ich nicht. Ich vermute, dass es Fingerübungen waren, denen kein größeres Gemälde folgte.

Gotthardt Kuehl - Innenansicht der St. Katharinenkirche in Hamburg (1890)
Gotthardt Kuehl - Innenansicht der St. Michaelis-Kirche in Hamburg (1890)

Adolph Menzel (1815 - 1905): 
Menzel kann mit Fug und Recht als Großmeister der Studien angesehen werden. Diese wurde nach seinem Tod stapelweise in seinem Nachlass gefunden. Nur ausgewählten Freunden zeigte oder schenkte er mal hier und dort eine seiner kleinen Kostbarkeiten, aber für die Öffentlichkeit waren sie nicht bestimmt. Das Widersprach seinem Kunstverständnis, welches erst im detailvollendeten Gemälde seinen Sinn fand.

Adolph Menzel - Atelierwand (1872)
Adolph Menzel - Aufbahrung der Märzgefallenen (1848)
Adolph Menzel - Die Ruine des Nymphenbads im Dresdener Zwinger
Adolph Menzel - Schwester Emilie Menzel (um 1848)

Camille Corot (1796 - 1875):
Menschen spielten in den Landschaftsgemälden Corots nur eine untergeordnete Rolle. In Studien war dies jedoch ganz anders. Dort holt er sie gerne in den Mittelpunkt des Bildes. So auch in den beiden hier abgebildeten kleinen Werken, welche mit den verschiedensten Abstufungen der Farbe Braun spielen.

Camille Corot - Das Mädchen mit der Rose (um 1865)
Camille Corot - Der Mönch (1874)

Wilhelm Kaulbach (1805 - 1874):
Freundschaftsbilder von Malerkollegen waren im 19. Jahrhundert sehr beliebt und gehörten zum Beispiel bei den Düsseldorfern des Schadow-Umkreis zum Pflichtprogramm. Da Kaulbach selber an der Hochschule dort studierte, ist es kein Wunder, dass er diese Tradition übernahm. Diese Studie scheint aber eher eine Vorstudie zu einem großen Gemälde und kein typisches, zweckfreies Freundschaftsbild zu sein.

Wilhelm von Kaulbach - Porträt des Malers Heinlein als Ritter Schellenberg

Sammelsurium des 19. Jahrhundert

Bevor wir im nächsten Bericht zum Makart-Saal kommen, hier noch ein paar schöne Bilder, welche nicht ganz in die vorherigen Kategorien passen.


Eines der berühmtesten Gemälde des 19. Jahrhunderts ist das Porträt Goethes von Tischbein. Seine Bilder sind in der Regel zu klassizistisch steif komponiert. Dem Kinderbildnis der zukünftigen Hamburger Bürgermeisterfrau kann man dies aber nicht vorwerfen. Es hat einen lieblichen Charme und ist technisch hochwertig umgesetzt.

Wilhelm Tischbein - Cornelia Wilhelmine Amsinck (1805)

Vom vielleicht besten deutschen Architekturmaler des 19. Jahrhunderts ist eine Berliner Stadtansicht in der Kunsthalle ausgestellt, welche im Detail den damaligen Straßenzustand wiederspiegelt. Der Rahmen ist übrigens einer der schönsten der Sammlung, wie ich finde.

Eduard Gaertner - Blick auf das Kronprinzenpalais und das Königliche Schloß von der Neuen Wache aus (1849)

Schroedter war bekannt für seine humoristischen Darstellungen, in denen er gerne den ein oder anderen aufs Korn nahm. Die Geschichten des Münchhausen sind für ihn ein gefundenes Fressen. Der Lügenbaron zieht mit seiner Erzählung alle Blicke auf sich. Technisch ist der Lichtschein der Lampe meisterhaft umgesetzt.

Adolph Schroedter - Münchhausen erzählt seine Jagdabenteuer (1842)

Die Gemälde von Carl Spitzweg sind zeitlos. An den kleinen Anekdoten, skurrilen Personen oder heiteren Gesellschaften kann man sich auch heute noch erfreuen. Der Einsiedler war ein gerne verwendetes Thema Spitzwegs und die Neuland erobernden Touristen haben nichts an Aktualität verloren.

Carl Spitzweg - Einsiedler im Gebirge
Carl Spitzweg - Touristen in den Bergen

Schmitson war ein östereichischer Tiermaler, der schon in jungen Jahren an einer schweren Nierenkrankheit verstarb. Überraschenderweise gibt es von ihm keinen Wikipedia-Eintrag. Dabei ist sein Leben, wie man dem Link oben entnehmen kann, gut dokumentiert. Die wenigen Bilder, welche man online von Schmitson findet, als auch das Hamburger Gemälde, deuten auf einen talentierten Maler hin, der sich autodidaktisch bildetet.

Teutwart Schmitson - Die Kuh des Armen
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gehört es für die oberen Zehntausend zum schicken Ton, einmal vom Münchener Malerfürsten porträtiert worden zu sein. Nach Hamburg hat es ein Bild Franz Lists geschafft. Lenbach-typisch werden, trotz ihrer großen Bedeutung für den Komponisten, die Hände überhaupt nicht beachtet. 

Franz Lenbach - Der Komponist Franz Liszt (1884)

Oppenheim malte den zwei Jahre älteren Heinrich Heine in dem Jahr der Auswanderung des Dichters nach Paris. Angst scheint er keine vor der ungewissen Zukunft, die vor ihm liegt, zu haben. Er schaut uns selbstbewusst und direkt an. Man fühlt sich vor dem Bild eher als Objekt der Betrachtung, denn als Betrachtender. Ob die beiden Männer Freunde waren, vielleicht aufgrund ihrer gemeinsamen jüdischen Herkunft, kann ich leider nicht sagen.

Moritz Oppenheim - Der Dichter Heinrich Heine (1831)

Wilhelm Leibl (1844 - 1900):
Leibl war nicht mit dem großen Talent eines Anton von Werner gesegnet, sondern musste seine Erfolge hart erarbeiten. Die Schwierigkeiten bei der Komposition von Gemälden konnte er nie ablegen, die saubere Perspektive war ein ewiger Kampf. Aber der urwüchsige Rheinländer gab nicht auf. So arbeitete er über drei Jahre an dem in der Kunsthalle ausgestellten berühmten Gemälde der drei Frauen in der Kirche, bis er auch mit der letzten kleinen Ader zufrieden war.

Wilhelm Leibl - Drei Frauen in der Kirche (1778 - 1881)
Wilhelm Leibl - Rosine Fischler, Gräfin Treuberg (1877 - 1878)

Arnold Böcklin (1827 - 1901):
Von Böcklin sind drei ausgezeichnete Gemälde im Museum ausgestellt. Zwei persönliche Porträts (Selbstbildnis und Verwandter) und die mythische Prozession zu einem heiligen Hain, ein Meisterwerk der symbolistischen Malerei.

Arnold Böcklin - Augusto Fratellei, ein Vetter der Frau (um 1864)
Arnold Böcklin - Selbstbildnis (1873)
Arnold Böcklin - Heiliger Hain (1886)

Dante Gabriel Rossetti (1828 - 1882):
Rossetti war Dichter, Maler und führender Kopf der Präraffaeliten. Seine Bilder können technisch nicht mit denen Millais mithalten und meinem Geschmack treffen sie nicht ganz. Aber seinen verträumten, sinnlichen Frauen ist ein gewisser Reiz nicht abzusprechen. Die hier abgebildete Fanny Cornforth war ein Geliebte des Künstlers und auf vielen Werken zu sehen. Ihre Hände sind besonders gut gelungen.

Dante Gabriel Rossetti - Helena von Troja (1863)
Ernest Meissonier (1815 - 1891):
Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts war Meissonier der weltweit gefragteste zeitgenössische Maler. Sein Alleinstellungsmerkmal waren die kleinformatigen Bilder mit tausend Details. Die Kunsthalle besitzt (mindestens) eine Studie und zwei solcher Meisterwerke der Miniaturmalerei. Der Rahmen des Schachspieler-Bildes ist großer als das Gemälde selber. Eine Besonderheit, die man nicht jeden Tag sieht.

Ernest Meissonier - Schachspieler (1856)
Ernest Meissonier - Reiters Rast (1876)
Ernest Meissonier - Der Schildermaler (1872)

Sonntag, 21. Dezember 2008

Anton von Werner (Teil 1)

Anton von Werner, wer?


Wer soll das denn sein, kenne ich nicht. Diese Antwort würde man wohl von den meisten Deutschen erhalten. Und was man nicht kennt, ist ja, wie das Sprichwort sagt, nichts.
Dass dieser Mann aber einer der größten deutschen Maler aller Zeiten und eine der führenden Persönlichkeiten des deutschen Kunstlebens im 19. Jahrhunderts war, ist in der Regel unbekannt.
Dürer hat man wohl schon gehört, dann gibt es da noch Beuys oder wie der heißt. Dieser Immendorf war auch öfter in den Schlagzeilen, der muss wohl auch was sein, aber sonst gab es wohl keine nennenswerten Künstler aus dem deutschsprachigen Raum. Würde man ja kennen...

Bekanntes Gemälde


Anton von Werner: Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches (1885)
Öl auf Leinwand - 167 x 202 cm
Auch, wenn man noch nichts von ihm gehört hat, kennt man vielleicht ein Gemälde von Anton von Werner, wahrscheinlich die Krönung Kaiser Wilhelm I in Versailles (Titel: Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches).
Das Bild lädt zu einer Zeitreise ins Jahr 1871 ein, zu dem Augenblick der Ernennung des preußischen Königs zum deutschen Kaiser. Die inoffizielle Geburtsstunde der deutschen Nation. Das Gemälde ist so perfekt gemalt, dass es dem heutigen Auge mehr wie ein Foto, denn als eine malerische Erweckung eines geschichtlichen Geschehens erscheint. Die Personen wirken trotz ihres Ernstes und ihrer Andacht lebendig. Das kann in dieser wirklichkeitsnahen Form nur von einem großen Meister auf die Leinwand gebracht werden, da jeder falsche Strich offensichtlich wäre.
Ihre Helme und Säbel glänzen im Licht des Saals, die Falten des Teppichs umrahmen gekonnt das Podest, der Marmor der Wände ist eines Alma-Tadema würdig und die realistischen Porträts der bärtigen Männergesellschaft sind alle lebensnah dargestellt.
Wie der wirkliche Vorgang genau aussah, weiß keiner mehr, da es keine Fotos von der Veranstaltung selber gibt, nur ein paar Gruppenfotos davor oder danach. Von Werner benutzte verschiedene künstlerische Gestaltungskniffe, um sich und seinen Auftraggeber zufrieden zu stellen und ein Kunstwerk von höchster Meisterschaft zu erschaffen, welches dieses geschichtliche Ereignis besser als tausend Worte auferstehen lässt. Denn auch wenn man nur mit einem müden Lächeln die Monarchie jener Tage betrachtet, sollte man dadurch seinen Blick nicht trüben lassen. Man öffne die Augen und siehe vor sich einen genialen Maler, den ich im Folgenden näher vorstellen möchte. Anton von Werner.

Autobiographie

Photo: Anton von Werner in seinem Atelier (1866)

Wer ist dieser Maler, der mit den Großen seiner Zeit verkehrte und den auch die Kleinbürger kannten? Die Jahre bis 1870 schildert er in seiner Autobiographie Jugenderinnerungen, welche überraschenderweise (ich habe vorher die Kunstansichten von Johann Gottfried Schadow gelesen...) sehr flüssig und gut zu lesen sind.
Dabei tritt einem ein Mensch entgegen, der eine für seine Position ungewöhnliche, leicht ironische Art hat. Ein Mensch, der die Leiter nach ganz oben von weit unten erklommen hat, und aufgrund seines großen Talents und seiner angenehmen Art im schnellen Tempo aufstieg. Seine Abneigung gegen die neueren, katastrophalen Kunstströmungen seiner Zeit macht ihn um so sympathischer.

Kindheit (1843 - 1857)

Geboren wurde er im Jahr 1843 in eine adelige, aber zu jener Zeit nicht mehr wohlhabende Familie zu Frankfurt an der Oder. Er erlebte eine ruhige und schöne Kindheit, aber die strenge Hand des Vaters, der sein Brot nicht mehr als hoch angesehener Offizier, wie seine Vorfahren, sondern als fleißiger, einfacher Handwerker verdienen musste, war immer zu spüren. Schön zu lesen ist seine Beschreibung des Vaters:
Mein Vater hatte keinerlei Veranlassung, dem Schicksal gerade Dank- und Lobeshymnen für das Los zu singen, das es für ihn gezogen hatte, aber er hatte sich damit abgefunden und war mit Puff und Knuff in harter Arbeit durchs Leben gekommen. Seine Gemütsart war dadurch freilich nicht sonderlich nach der zarten und weichmütigen Seite hin entwickelt, also daß meine Erziehung auch nicht gerade auf eine weiche Molltonart abgestimmt war, sondern ich befand mich häufig einem bedenklichen väterlichen capricio furioso in Dur gegebenüber, aus dem mich nur das Eingreifen meiner engelsgleichen Mutter zuweilen errettete.
In der Schule war er gut und das Zeichnen machte ihm, wie nicht anders zu erwarten, viel Spaß.

Ausbildung (1857 bis 1859)

Mit 14 Jahren, also 1857, war seine Schulzeit zu Ende und sein Vater schickte ihn in die Handwerkslehre. Stubenmaler (Ornamente und Bilder in Innenräumen) sollte er werden und wurde es auch. An seinem ersten Ausbildungsplatz wurde er als billige Arbeitskraft schamlos ausgenutzt, aber nach einem Stellenwechsel legte er in der Lehrzeit die Grundlagen für seinen späteren, großen Erfolg.
Eine Ausbildung im Handwerk ist, wie heutzutage auch, keine Schmusezeit, und so wurde er, wie er freimütig bekennt, zu Beginn unter anderem wegen seines adeligen Namen von den Älteren gehänselt. Aber diese Schule des Lebens härtete ihn nur ab.
Die Arbeit selber sah er in rosigen Farben,
als etwas Hohes und Heiliges,

berichtet aber auch, im witzigen Kontrast dazu, von der anderen Art des Blickwinkels der anderen Gehilfen:
"Wer die Arbeet erfunden hat, der verdiente heute noch gehenkt zu werden!" Oder "Arbeet macht det Leben scheene - sauer!" Oder "Na, heute könnte der Tag ooch mit dem Feierabend anfangen"
Kunstakademie Berlin (1860-1862)

1959 beendete er seine Lehre und es war klar, dass er Kunstmaler werden wollte. Mit der Empfehlung seines Oberbürgermeisters Piper studierte er von 1860 bis 1862 an der Berliner Kunstakademie.
Diese Jahre sah er im Nachhinein als verlorene Zeit an. Gelernt hat er dort nicht viel. Das meiste konnte er vorher schon.
So beschreibt er die Art zu Korrigieren des Professors Herbig folgendermaßen:
Als ein Schüler ihn fragte:"Malt man die Lichter (beim Kopfmalen) eigentlich kalt und die Schatten warm?", antwortete Herbig mit salomonischer Weisheit:"Ja, sehn Sie, det is so'ne Sache, der Eene machts so und der Andere umgekehrt, und et jeht ooch."
Passend dazu ist auch die Beschreibung eines Wettbewerbs der Kompositionsklasse, der dadurch beendet wurde, dass die Frau des Kastellans (Aufsichtsbeamter, also jemand wie Tom Gerhard als Hausmeister Krause) die Atelierräume im Dachgeschoss zum Aufhängen ihrer Wäsche gebrauchte.

Kunstakademie Karlsruhe (1862-1866)

So reifte in ihm bald der Entschluss, Berlin den Rücken zu kehren und, aufgrund einer Empfehlung von Professor Adolph Schroedter, nach Karlsruhe, an die dortige Akademie zu wechseln. Mit Schroedter verband ihm schnell eine aufrichtige Freundschaft und bald auch mit der Familie des Direktors der Kunstschule, dem weltberühmten Carl Friedrich Lessing. Von diesem hat er, nach eigenem Bekunden, allein in ihren Gesprächen mehr über die Kunst gelernt, als in allen praktischen Vorlesungen zusammen.
Das kleine, übersichtliche Karlsruhe kam seinem Naturell sehr entgegen. Es war eine familiäre Atmosphäre, in der viel diskutiert, musiziert, aufgeführt und politisiert wurde.
Neben Persönlichkeiten aus dem kulturellen und politischen Leben der Badener Gesellschaft, lernte er in diesen Jahren damals schon bekannte oder später bekannt gewordenen Maler wie Feodor Dietz, Ludwig Knaus, Moritz von Schwind, Ferdinand Keller, Hans Thoma, Arthur von Ramberg oder Emanuel Leutze kennen.


Anton von Werner: Gemäldeentwurf zum 30ten Geburtstag Osterroths (1866)
Bleistift
Teilweise war sein Kalender unter anderem wegen der Proben der verschiedensten Geburtstagsfeiern seiner vielen Bekannten so voll gestopft, dass er kaum Ruhe hatte, seine eigenen Bilder, so wie gewünscht, weiter zu entwickeln.

Reisen
In all den Jahren reiste er häufig durch die Länder des Deutschen Bundes. So besuchte er Leipzig, Weimar, Dresden, und auch München, Stuttgart, Worms oder Köln. Ein kurzer Besuch 1865 von Paris, seiner ersten Auslandsstation, hinterließ keinen wirklich begeisterten Eindruck bei ihm. Von Werner war enttäuscht von der großen Stadt. Außer Notre-Dame und dem Louvre hat er nicht viel Positives zu berichten. Von den Malern beeindruckten scheinbar nur Meissonier und Delacroix, da er nur sie erwähnt.

Anekdoten
Schön zu lesen sind kleine Anekdoten aus dieser Zeit, die seine Gelassenheit und seine humorvolle, unkomplizierte Art widerspiegeln.
Eine handelt von der Reise zum Weimarer Künstlerfest 1863, bei der er, aufgrund eines außerplanmäßigen Aufenthalts, in Frankfurt übernachten musste. Gemeinsam mit einem älteren, ihm bis dahin unbekannten Mann, macht er sich auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit in der ziemlich überfüllten Stadt.
Wir fanden endlich in einer Bierwirtschaft ein Zimmer mit zwei Betten im Dachgeschoß, dessen Tür aber kein Schloß hatte, während das Fenster nicht zu schließen war, weil man eine mächtige schwarz-rot-goldene Fahne hinausgesteckt hatte; außerdem krachte in der Nacht noch mein Bett zusammen, und ich fiel hinaus. Es war recht gemütlich und ich dachte: diese Vergnügungsreise fängt gut an.
Eine andere schöne Geschichte ist die Beschreibung des Dichters Dr. Wilhelm Jordan, der den Tick hatte, zu jeder Zeit und immer wieder sein Nibelungenepos Siegfrieds Tod vorzutragen.
...als ich eines Nachmittags bei Scheffel war und Herr Dr. Wilhelm Jordan gemeldet wurde. Scheffel machte ein bedenkliches Gesicht und meinte: "Er wird doch nicht?"... aber schon war er in der Tür; mit rotseidener, flattender Krawatte, aber ohne Manuskript - wir atmeten auf, aber zu früh. Denn verbindlich lächelnden Antlitzes erklärte er - während Scheffels immer länger wurde -, daß er jetzt nicht mehr lese sondern rhapsodiere und uns nun Siegfrieds Tod als Rhapsode vortragen würde. Scheffels dringender Hinweis auf einige Flaschen echten Nürnberger Biers, die er im Keller habe und deren Inangriffnahme für die herrschende Temperatur und die gerade dafür passende Tageszeit besonders empfehlenswert erschiene, bliebt zunächst wirkungslos. Scheffel ergab sich wohl oder übel schließlich dem Verhängnis und ließ, neben Jordan auf dem Sofa sitzend, mit halbgeschlossenen Augen Angstvoll Siegfrieds Tod über sich ergehen.
Politische Spannungen
Das angenehme, familiäre Klima in Karlsruhe erkaltete seit dem Jahre 1865. Grund waren die nicht zu übersehenden Spannungen im Deutschen Bund, zwischen den kleindeutsch preußischen Anhängern und der meist großdeutschen Österreich-Fraktion, der auch Baden angehörte. Dies führte 1866 zu einer offenen Feindschaft zwischen den anwesenden fremdländischen Künstlern (also der großen Nichtbadener-Künstlerkolonie, zu der der Preuße Anton von Werner genauso gehörte wie Lessing oder Schroedter) und den Badener, angeführt durch den Wiener Hans Canon.
..., und Direktor C.F. Lessing lud alle seine Freunde ein, wenn es zum schlimmsten kommen, sich mit ihm in seiner Amtswohnung zu verbarrikadieren, wo er Schießzeug und Munition in Hülle und Fülle habe...
Zu Kriegsausbruch 1866 spitze sich die Lage zu, aber zum Glück eskalierte die Situation nicht aufgrund der schnellen Beendigung des Kriegs.

Erfolge
Aus künstlerischer Sicht erzielte er 1866 seine ersten großen Erfolge.


Anton von Werner: Kompositionsskizze zum Michael-Beer Stipendium : Josephs Wiedersehen mit seinem Vater in Ägypten (1866)
Bleistift laviert

So gewann er an der Berliner Akademie ein Stipendium der Michael-Beer Stiftung, verbunden mit einem einjährigen Aufenthalt in Italien, den er 1868 antrat. Zur Vorbereitung dieser Reise nahm er Italienisch-Unterricht, welches neben Französisch seine zweite Fremdsprache wurde.

Anton von Werner: Luther vor Cajetan (1865)
Öl auf Leinwand - lebensgroße Halbfiguren

Auf der großen Akademieausstellung 1866 in Berlin wurde sein Bild Luther vor Cajetan preisgekrönt.
Es lief also nicht schlecht für den 23-jährigen jungen Maler und im folgenden Jahr 1867 galt er schon als so beachtenswert, dass eines seiner Bilder bei der Weltausstellung in Paris akzeptiert wurde. Davon später mehr...