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Montag, 9. März 2015

Kunsthalle Karlsruhe Teil 2

Die Karlsruher Maler des 19. Jahrhunderts verbindet man vor allem mit der Landschafts- und Historienmalerei.


In diesem Teil möchte ich ein paar Landschaftler vorstellen, welche ihren Weg in die Sammlung der Kunsthalle gefunden haben.

Johann Wilhelm Schirmer (1807 - 1863)

Der Aufstieg der Karlsruher Kunstakademie zur bedeutenden Institution begann Mitte des 19. Jahrhundert mit der Anwerbung Johann Wilhelm Schirmers. Er galt als einer der Hauptgründer der weltweit bekannten Düsseldorfer Landschaftsschule und war Anziehungspunkt für junge Maler und schon bekanntere Kollegen.

Schirmers Naturansichten sind oft ähnlich komponiert wie die seines Vorbilds Carl Friedrich Lessing. Die Bilder könnten auch ohne menschliche Staffage bestehen, aber zur Abrundung ist fast immer eine kleine Geschichte eingebaut, um das Interesse an dem Gemälde zu steigern. Schirmer stellt hierbei meist kleine Anekdoten oder biblische Geschichten dar.
So wie in den beiden Szenen aus der Serie Die vier Tageszeiten, welche der Großherzog 1858 der Sammlung einverleibte.
 
Johann Wilhelm Schirmer - Der Mittag - Der Überfall auf den Wanderer (1857)

Johann Wilhelm Schirmer - Der Abend - Der Barmherzige Samariter (1857)

Seine große Stärke zeigte Schirmer, wenn er frei von solchem Tiefgang die Natur darstellte, wie sie war. So sind in der Kunsthalle zwei schöne Ausflüge mit Blick auf ein weites Tal ausgestellt.

Johann Wilhelm Schirmer - Das Geroldsauer Tal bei Baden-Baden (1855)
Johann Wilhelm Schirmer - Das Oberbeuerner Tal vom Cäcilienberg aus - Vormittag (1855)

Wahre Meisterwerke sind seine detaillierten Studien, die nicht als eigenständige, für die Öffentlichkeit gedachte Werke galten.

Johann Wilhelm Schirmer - Böschung mit Baumstamm (um 1855-60)

Die Felsküste bei Etretat habe ich schon 2002 in einer Aachener Ausstellung gesehen und war damals hin und weg. Und nach all den Jahren hat sich an dieser Wirkung nichts geändert. Dieses kleine Werk ist für mich noch immer die schönste Küstenstudie, die ich je gesehen habe. Ein Höhepunkt der gesamten Karlsruher Sammlung.

Johann Wilhelm Schirmer - Felsküste bei Etretat (1836)

Carl Blechen (1798 - 1840)

Blechen ist einer der ausgestellten Landschaftsmaler, die keine direkte Verbindung zu Karlsruhe haben. Sein Bild soll die Sammlung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vervollständigen. Ausgestellt ist ein typisches Italien-Motiv Blechens. Ein spektakulärer Blick die Steilwand hoch in Richtung Kloster, welches er aus einer etwas anderen Richtung auch hier festgehalten hat.

Carl Blechen - Blick auf das Kloster Sta. Scolastica bei Subiaco (1832)

Carl Morgenstern (1811 - 1893) 

Der Frankfurter Morgenstern rundet die hochwertige Zusammenstellung der Zeit vor 1850 ab. Der Künstler war ein guter Architektur- und Landschaftsmaler, ist aber leider nicht allzu bekannt. An der Qualität seiner Bilder liegt es jedenfalls nicht, diese sind von hoher Güte. Die von seiner frühen Italienreise beeinflussten Gemälde überzeugen durch schöne Lichteffekte, wie auch in diesem Bild. Seine große Schwäche war die Darstellung der menschlichen Staffage, aber in seinen Freilichtstudien, wie diese hier, spielte dies, zum Glück mag man sagen, keine Rolle.

Carl Morgenstern - Am Golf von La Spezia (1841)

Arnold Böcklin (1827 - 1901)

In jungen Jahren lebte der Schweizer Böcklin fast sieben Jahre in Rom. Die Italienreise stand zu dieser Zeit noch auf dem Pflichtprogramm viele Maler und ebbte erst mit dem größeren Selbstbewusstsein zur eigenen nationalen Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts langsam wieder ab.
Das in der Kunsthalle ausgestellte Landschaftsbild Böcklins wirkt auf meiner Aufnahme bei weitem nicht so schön, wie es wirklich ist. Vor allem der große, alles überragende Baum in der Mitte, mit seiner hellen, gefleckten Rinde, ist wunderbar gemalt.

Arnold Böckling - Landschaft im Albanergebirge (1851)

Eugen Bracht (1842 - 1921)

Eugen Bracht war einer der besten Landschaftsmaler im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Anton von Werner war sehr bemüht, ihn nach Berlin zu holen und machte ihm dies mit einer Professur schmackhaft.

Seine Lehrjahre verbrachte der Maler an mehreren Akademien, unter anderem an der Kunstschule in Karlsruhe, wo er zeitweise mit Hans Thoma befreundet war. Nach zwei Jahren verließ er Baden jedoch in Richtung Düsseldorf, da ihm Professor Schirmer nicht als geeignetes Vorbild erschien.

Auf den Auktionen tauchen immer wieder beeindruckende Orientbilder Brachts auf, welche das Leben in der kargen Wüste beschreiben. So wie das wunderbare Gemälde der Kunsthalle aus dem Jahre 1882. Vor dem Bild trocknet einem die Kehle. Die brütende Hitze dieses Wüstentages muss mit einem kühlen Schluck gemildert werden. Prost!

Eugen Bracht - In der Wüste Araba (1882)

Hans Thoma (1839 - 1924)

Als Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr Salon-Maler von der Kritik als bedeutungslos eingestuft wurden, konnte überraschenderweise Hans Thoma seinen guten Ruf behaupten. Seine Bilder gehörten technisch noch der akademischen Tradition an, aber mit ihren harmlosen Themen waren sie kein rotes Tuch für die Neues suchenden Kunstrichter.

Hans Thoma - Kinderreigen (1872)
In seinen zwanziger Jahren lebte und studierte Thoma immer mal wieder in Karlsruhe. Es war nicht die glücklichste Zeit seines Lebens, wie man in seiner Autobiographie Im Winter des Lebens nachlesen kann (zum Beispiel online hier). Nach Karlsruhe zog es ihn deshalb erst wieder im hohen Alter von 60 Jahren. Grund war ein Stellenangebot, welches er nicht ablehnen konnte. Direktor der Kunsthalle und Professor an der Akademie. Den Aufwand seiner Lehrtätigkeit konnte er gering halten, was zeigt, welch freies Leben die angeworbenen Kräfte damals in Karlsruhe hatten. Gleiches war nämlich auch von seinem Vorgänger Lessing bekannt.

Hans Thoma - Selbstbildnis mit Amor und Tod (1875)
Thoma war nicht der große Könner wie Anton von Werner. Seine Bilder sind manchmal etwas langweilig, unglücklich komponiert und die Menschen leblos. Mir gefallen vor allem die Landschaften, in denen er mit sattem grün und kräftigem blau arbeitet. So wie oben zum Beispiel beim Kinderreigen, hier oder hier.

Thoma-Kapelle Eingang
Ein faszinierender Raum, der seinesgleichen sucht, ist die Thoma-Kapelle. Man tritt von oben, über eine abgedunkelte Zwischenpassage, ein in eine Art Gruft (ohne Sarg). Diese Gestaltung verleiht dem Raum einen sakralen Charakter. Der zu Thomas Ehren errichtete Bau (1905-1909) sollte der krönende Abschluss seines Lebenswerkes werden, da der Meister selber die großformatige Gemälde aus dem Leben Jesus beisteuerte.

Vor allem die Nahaufnahmen zeigen jedoch, dass das malerische Endergebnis die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen konnte. Die Umsetzung der Menschen ist für einen akademischen Maler eher bescheiden, nur die Gewänder können wirklich überzeugen.


Thoma - Kapelle

Thoma - Kapelle

Thoma - Kapelle
Thoma - Kapelle
Thoma - Kapelle
Thoma - Kapelle

Mittwoch, 8. Juli 2009

Ferdinand Keller - Halbindianer auf kaiserlichen Wegen

Heute möchte ich einen bedeutenden deutschen Maler des 19. Jahrhunderts vorstellen. Ferdinand Keller. Die in Wikipedia vorhandenen Informationen sind äußerst spärlich gesät. Deshalb beziehe ich mich fast ausschließlich auf das 1978 erschienene, kleine aber feine Buch Ferdinand Keller von Michael Koch im Verlag C.F. Müller, Karlsruhe. Dort ist das Folgende noch viel ausführlicher und detaillierter beschrieben.

Foto - Ferdinand Keller (um 1877)

Farbige Probleme

Die Beschäftigung mit Keller wirft zwei Probleme auf, welche für deutsche Maler des späten 19. Jahrhunderts typisch sind.
  1. Zum einen sind viele ihrer Bilder im 2. Weltkrieg verschollen oder zerstört und aufgrund dessen nur noch in kleinen Schwarz-Weiß Aufnahmen oder vereinfachenden Lithografien bekannt.
  2. Das zweite Problem sind die Museen Deutschlands (und natürlich die Medien, die das einseitige Bild verbreiten). In ihren Kellern lagern all die Schätze des 19. Jahrhunderts, welche schon lange nicht mehr das Licht der Welt erblickt haben. Aber statt einer ausgewogenen Darstellung des 19. Jahrhunderts wird in den Sammlungen unserer Museen ein völlig falsches Bild dieses Jahrhunderts dargestellt. Es wird dem Impressionismus, Realismus, Sezession und all dem Müll, der diesen im 20. Jahrhundert folgte, eine viel zu große Bedeutung beigemessen. Die größten Maler aller Zeiten, die akademischen Maler des 19. Jahrhunderts, werden als unbedeutend und langweilig abgetan. So kann es geschehen, dass ein Museum, wie das in Schwäbisch Gmünd, welches nach vielen Jahren einmal wieder die großen Meister aus den Magazinen hervorholt, nicht genug Geld für einen farbig prächtigen Ausstellungskatalog aufbringen kann. Sponsoren lassen sich für jeden Kunstwitz finden, aber die großen Könner der Malerei bleiben der Masse weiterhin als kleine Schwarz-Weiß Abbildungen in magerer Erinnerung. Schade!
Im Falle Kellers kommt erschwerend hinzu, dass der Künstler selber keinen allzu guten Überblick über seine Werke besaß. So schreibt er im Januar 1889 an den bekannten Kritiker Friedrich Pecht:
Über die vielen Quadratmeter, die ich schon versündigt, habe ich leider keine rechte Klarheit mehr. - Von meiner Arbeit ist sehr viel vergraben...
Zum Glück, sagten schon zu seinen Lebzeiten einige Kritiker, die seine Werke als veraltet betrachteten. Ferdinand Keller war dies natürlich mehr als bewusst:
..., daß ich unter einer gewissen Ignorierung in der öffentlichen Kritik leide und mich höchstens eines lieben Streifens mit Biß erfreuen darf, weiß ich zu gut" (Brief vom Oktober 1899)
Frühes Talent

Doch erstmal zurück zum Anfang. Der Künstler erblickte am 5. August 1842 in Karlsruhe das Licht der Welt. Als zweites Kind eines Großherzoglichen Bauinspektors wurde er in eine bürgerlich heile Welt geboren. Sein Vater, ein begeisterter Hobby-Ölbildmaler, infizierte seinen Sohn mit dem Künstlervirus. Und es zeigte sich früh das große Talent des kleinen Ferdinand. Seine Zeichnungen offenbarten schon in jungen Jahren eine geschickte Hand und ein waches Auge.

Ferdinand Keller - Skizzenbuch (1852 - 1853)
(21,5 x 28,5 cm)

So beschreibt ein Jugendfreund des Künstlers dessen früher Begabung:
Ferdinand Keller ... war schon auf dem Gymnasium ein Tausendkünstler, wie noch aus manchem erhaltenen Stammbuchblatt zu ersehen ist.Was nur in der London News geeignet schien, wurde abgezeichnet und in Farben gesetzt, namentlich historische Gegenstände, Schiffe mit schwellenden Segeln und wimpelnbesetze Masten, daneben Manches aus eigener Phantasie komponiert. Ferdinand Keller war unter seinen Kameraden unstreitig der beste Zeichner und auf dem Gymnasium schon war er fest entschlossen, Maler zu werden, und überzeugt davon, daß diesem Vorhaben nichts im Wege stehe.
Ferdinand Keller - Skizzenbuch (1852 - 1853)_2

Einmal Urwald und zurück

Der Weg war für Ferdinand Keller klar vorgezeichnet. Doch das Schicksal führte den 15-jährigen Jungen 1857 auf unbetretene Pfade. Sein Vater wurde von der brasilianischen Regierung
beauftragt,
zur Ausführung von Flussregulierungen, Brücken und Wegebauten
heimischen Boden zu verlassen und neues Territorium zu betreten. Seine Familie nahm der Vater natürlich mit und so verbrachte Ferdinand die nächsten viereinhalb Jahre im fernen Brasilien. Diese fremde, exotische Welt regte die Sinne des jugendlichen Künstlers an und in den Jahren dort verfeinerte er autodidaktisch sein Zeichen- und Aquarelltalent. Es sind Mappen überliefert mit phantasiereichen, gekonnt gemalten Eindrücken dieser anderen Welt.

Ferdinand Keller - Reisende in Brasilien (Skizze) (um 1860)

Ferdinand Keller - Skizzenbuch Brasilien (1857 - 1862) (21,5 x 28,5 cm)

Für immer wollte Keller nicht in Brasilien bleiben, auch wenn dies zeitweise im Bereich des Möglichen lag. Die deutsche Kunstwelt lockte ihn zurück nach Karlsruhe an die Großherzogliche Kunstschule.

Alternative Schwimmen

Dort wurde er zum Lehrjahr 1862/63 aufgenommen, zur gleichen Zeit wie der berühmte Anton von Werner. Karlsruhe stand damals noch im Zeichen der romantisch, detailliert ausarbeitenden Malerschule Düsseldorfs. Direktor Carl Friedrich Lessing, Meister auf allen Gebieten oder der Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer bestimmten das Bild. Professor Schirmer war von den Mappen des jungen Kellers so begeistert, dass er ihn direkt in seine Malklasse aufnehmen wollte. Doch dem Neuankömmling stand der Sinn danach, die Leiter von ganz unten zu erklimmen. Deshalb besucht er als erstes den Zeichenunterricht beim Bendemannschüler Karl Schick.
Ich zog ... vor, den Unterricht von Grund aus zu beginnen... und zeichnete in sechs Wochen sämtliche damals vorhandenen Antiken, gab mich dann aber bald ans Malen, wobei mir die älteren Kunstschüler Fahrbach und Osterroth behilflich waren.
Die Landschaftlerklasse Schirmers belegte er nur für kurze Zeit, da dessen Tod im Jahre 1863 längere Studien verhinderte. Nicht ganz zum Leidwesen Kellers (die Studien sind natürlich gemeint).
Im Sommer trieb mich der Meister (Schirmer) zum Naturmalen an die Alb zwischen Knielingen und Ausfluß der Alb in den Reih, aber der Gegensatz der Größe jener
südlichen Welt mit seinen Riesenströmen zu dem stillen Einfall des einfachen, weidenbewachsenen Bächleins ließ ein Interesse an Wasser, Schilf und Bäumchen bei mir nicht aufkommen, was zur Folge hatte, daß ich meiner damals noch halbindianischen Natur gemäß mehr badetet, als malte. Der Meister schüttelte den Kopf über diesen Schüler.
Johann Wilhelm Schirmer - Wiesenbach (Studie) (1828-1830)
Öl auf Leinwand (74,5 x 80,2 cm)

Brasilianische Eindrücke

Seine nächsten Lehrer waren Ludwig Des Coudres, Hans Fredrik Gude und Carl Friedrich Lessing.

Kellers Bilder zu dieser Zeit verarbeiten oft seine brasilianischen Eindrücke. Von seinem großen Talent zeugen die Gemälde Reisende in Brasilien und Bucht von Rio de Janeiro, welche nicht rein zufällig an die Bilder der Düsseldorfer Malerschule erinnern. Die detaillierte Landschaft samt rahmenden Handlung ist in der Tradition Lessings gemalt

Ferdinand Keller - Reisende in Brasilien (1863)
Öl auf Leinwand (110,7 x 149,4 cm)

Carl Friedrich Lessing - Harzlandschaft mit Szene aus dem dreißigjährigen Krieg (1855)
Öl auf Leinwand (119 x 198 cm)

und die Hell-Dunkel Malerei, die für viel Werke Kellers später charakteristisch wird, könnte von den Achenbach-Brüdern stammen.

Ferdinand Keller - Bucht von Rio de Janeiro (1864)
Öl auf Leinwand (63,5 x 87 cm)

Andreas Achenbach - Der Hardanger Ford (1843)
Öl auf Leinwand (157 x 209 cm)

Das Bild Reisende in Brasilien wurde auf der internationalen Münchener Ausstellung des Jahres 1863 gezeigt. Es war sein erster öffentlicher Auftritt und direkt ein kleiner Prestigeerfolg.

Von seinem Erfolg berauscht beschloss Keller, dass seine Lehrzeit beendet war und so er verließ 1864 die Karlsruher Akademie.

Die Kasse klingelte kurz darauf erstmals richtig beim Verkauf seiner Bucht von Rio de Janeiro aus dem Jahre 1865 an den badischen Großherzog Friedrich I. Der Hof stand Ferdinand Keller ab nun offen und viele Aufträge sollten in den kommenden Jahren folgen.

Diese beiden Gemälde waren nicht seine letzten, in denen er seine Phantasie in den brasilianischen Wäldern laufen ließ. Das Gemälde Humboldt am Orinoko von 1877 soll als Beispiel dienen, dass er auch später gerne noch auf dieses Thema zurückgriff.

Ferdinand Keller - Humboldt am Orinoko (1877)
Öl auf Leinwand (206 x 160 cm)

Dieses Bild beruht sogar noch auf Skizzen aus seinen Brasilien-Mappen.

Ferdinand Keller - Humboldt am Orinoko (Skizze) (um 1860)

Weiterbildung beim Rubensverschnitt

Ab 1864 sorgte ein Wiener Maler für neuen Wind in den Karlsruher Lüften. Hans Canon.

Dieser war als großer Kenner der alten Meister bekannt und strebte ihnen nach. Man kann ihn als gemäßigten Rubens des 19. Jahrhunderts bezeichnen, da seine farbvolle Malweise samt dynamischen Bildaufbau an den barocken Meister erinnert.

Hans Canon - Josephskapelle Hofburg Wien (Ausschnitt)

Damit stand Canon in direktem Gegensatz zur Lessing-Schule mit ihren detaillierten, vollendeten Gemälden, welche auf perfekter Zeichnung beruhen. Hinzu kamen nationalistische Animositäten zwischen den Preußen und den Österreichern und Badener. So kam es zur Spaltung der Karlsruher Künstlerschaft.

Canon zog so unterschiedliche Maler wie Wilhelm Trübner, Hans Thoma oder auch Ferdinand Keller an. Keller wahrscheinlich ab 1865. Ein Bild Kellers wie Der Alchimist von 1868 ist noch unter dem Einfluss Canons entstanden. Nicht ganz verwunderlich, wenn man bedenkt, dass dieses Bild das Gegenstück zu einem Auftragsbild Canon's, die Weinlese, vier Jahre früher war.

Ferdinand Keller - Der Alchimist (1868)
Öl auf Leinwand (116 x 155 cm)

Erster internationaler Erfolg

Seinen ersten internationalen Erfolg errang Keller mit dem Gemälde Tod Philipps II von Spanien auf der Pariser Weltaustellung 1867.

Ferdinand Keller - Tod Philipps II von Spanien (1866)
Öl auf Leinwand

Lobenden Kritiken folgten. So schreibt das englische Art Journal
one of the most impressive of historic works
und der deutsche Kritiker Friedrich Pecht wähnte
das glänzendste malerische Talent ... heranwachsen.
Feuer(bach) in Rom

Der junge Maler wollte mehr von der Welt sehen als Karlsruhe und Brasilien und so zog es ihn im Laufe seines Lebens immer wieder in ferne Länder. Dort konnte er seinen Horizont erweitern und neue Eindrücke sammeln.

1863 reiste Keller in die Schweiz und wahrscheinlich 1866 nach Frankreich.

Das Königsziel eines jungen Malers war damals Rom und so wundert es nicht, dass Keller im November 1867 seine Koffer packte, um ins ferne Italien zu reisen. In Rom blieb er, mit Unterbrechungen, bis ins Jahr 1870 hinein. Die Eindrücke Anton von Werners, der zur gleichen Zeit in Rom verweilte, habe ich in einem anderen Bericht beschrieben.

Keller kam nach kurzer Zeit, aufgrund eines Empfehlungsschreiben Victor von Scheffels, mit Anselm Feuerbach in Kontakt, den damals berühmtesten deutschen Künstler in der Ewigen Stadt. Immer wieder ist die Rede von Kellers Mitarbeit an Feuerbachs Gemälde Das Urteil des Paris.

Anselm Feuerbach - Das Urteil des Paris (1870)
Öl auf Leinwand (228 x 443 cm)

Der Anteil an diesem Werk ist umstritten, aber laut Kellers eigener Aussage soll er Landschaft, Ziegenbock und Draperien gemalt haben und, welch Flexibilität, für den männlichen Paris und die weibliche Venus gleichzeitig Modell gestanden haben.

Wirkliche Freunde sind die beiden trotzdem nicht geworden, da Feuerbach offensichtlich wenig Interesse daran hatte. Er bezeichnetete Keller als
ein ganz guter Bekannter
, der ihm bei der rechtzeitigen Fertigstellung des Urteil des Paris zur Seite stand. Mehr war da nicht.
Damit ich Karlsruhe ja nicht vergesse, hat sich der junge Keller neben mir zum Überflusse eingenistet. Doch werde ich mir in allen Dingen eine gute Dosis Indifferenz anschaffen.
Den kurzzeitigen Einfluss, den Feuerbachs Malweise auf Keller hatte, beschreibt der Bericht zum Modell Nanna etwas genauer.

Bünde für die Ewigkeit

Das Jahr 1870 war das Einschneidendste in Kellers Leben. Sowohl künstlerisch als auch privat. Beruflich nahm er eine Stellung an der Karlsruher Kunstschule an (ab 1873 als Professor
für Historienmalerei) und Ende des Jahres zog er in den Hafen der Ehe(kinderlos) mit Wilhelmine (Minna) Fecht ein. Beide Ereignisse sollte er nie bereuen, denn über vierzig Jahre blieb er beiden treu.

Chamäleon

Was sich immer wieder zeigen sollte, war die abwechslungsreiche Malweise Kellers. Oft erinnert sein Werk mal an diesen oder jenen Meister. Aber nie beschränkte sich Keller für längere Zeit auf ein Genre oder einen Malstil, wie beispielsweise Carl Wilhelm Hübner.

So schuf er 1871 ein Altarbild, die Himmmelfahrt Mariens für die Heidelberger Jesuitenkirche im Stile eines italienischen Barockmeisters des 17. Jahrhunderts.

Ferdinand Keller - Himmelfahrt Mariens (1871)
Fresko (800 x 300 cm)

Dagegen erinnert eine Moderne Diana aus dem folgenden Jahr an Hans Makart. Hat Makart die hier abgebildete Pose bei Keller kopiert? Und hatte dieser selber ein konkretes Vorbild. Wir wissen es nicht, aber dies ist nur ein Problem für Originalitätsfanatiker.

Ferdinand Keller - Moderne Diana (1872)
Öl auf Leinwand (130 x 223,2 cm)

Hans Makart - Charlotte Wolter als Messalina (1875)
Öl auf Leinwand (143 x 227 cm)

Keller war eben ein umfassender Maler und lässt sich nicht einfach in eine Schublade stecken. Diese Schemata werden jedoch zum besseren Begreifen des Künstler immer wieder bemüht, so auch von mir.

Genies an der Wand

Welch vielfältige Talente in dem Künstler schlummerten, zeigte sich 1875. Keller erhielt den Auftrag zu einem großen Fresko für die Treppenwand des Großherzoglichen Sammlungsgebäude. Das Altertum war das vorgegebene Thema. Umgesetzt wurde es in der Tradition der Genieversammlung in Anlehnung an Raffaels Schule von Athen oder der damals modernen Darstellung Paul Delaroches.

Paul Delaroche - Hemicyle of the Ecole des Beaux-Arts (1841) - Linker Abschnitt
Öl mit Wax gemischt

Kellers Umsetzung erntet viel Lob von seinen Zeitgenossen.


Ferdinand Keller - Das Altertum (Karlsruhe) (1875)
Fresko (??? x 940 cm)

So überstürzte sich das Lob des Kritiker Paul Schultze-Naumburg in der Zeitschrift für bildende Kunst im Jahre 1897:
Was seit Tiepolo noch keiner gethan, thut er: er weiß farbige Glut in das spröde Material zu bringen und er obert damit dem Fresko seine Farbenfreudigkeit zurück; er versteht es wieder, eine weiße Kalkfläche auf den rauschenden Accord heiterer Festesfreude zu stimmen, leuchtende Schönheit von der Wand strahlen zu lassen, in einer Zeit, als man noch von Cornelius' Glyptothek-Fresken von "trefflichem Kolorit" sprach.
Makartzeit

Mit Makart wird Keller damals und auch heute in einem Zusammenhang gebracht. Nicht ganz zu Recht, da die Makart-Periode (70er Jahre des 19. Jahrhunderts) nur einen Bruchteil von Kellers Künstlerlaufbahn ausmachte.
Spätestens im Jahre 1873 geriet er in den Bann des Wiener Großmeisters. 'Schuld' daran war die Weltausstellung in Wien, bei der Keller mit seinem Monumentalgemälde Nero beim Brand Roms vertreten war. Dort erblickte er voller Bewunderung Makarts Gemälde Venedig huldigt Caterina Cornaro und war hin und weg von dieser Art der Malerei.

Hans Makart - Venedig huldigt Caterina Cornaro (1872)
Öl auf Leinwand (400 x 1060 cm)

Keller der Semperoper

Seinen Ruf als Badischer Makart erlangt Keller dann endgültig, als er 1875 seinen Entwurf zum Wettbewerb um die Ausmalung des Hauptvorhangs des wieder aufzubauenden Dresdener Hoftheater (oder Semperoper, wie das Gebäude heute meist genannt wird) einreichte und gewann.

Ferdinand Keller - Dresdener Theatervorhand (Entwurf I) (1874 - 1875)
Öl auf Leinwand (65 x 93 cm)

Die Entwürfe wurden ohne offizielle Nennung der Maler veröffentlicht und deshalb dachten viele an Makart selber als den Maler des gewinnenden Entwurfs. Nicht aber der Juror Anton von Werner:
Man hatte als Autor des preisgekrönten Entwurfes allgemein auf Hans Makart geraten, während ich sofort die künstlerische Handschrift meines Karlsruher Studiengenossen Ferdinand Keller erkannt hatte, die mir ja ebenso vertraut war wie die von Makart.
Der Baumeister Gottfried Semper war auch zufrieden mit Kellers Entwurf. Die Bedeutung dieser Theatervorhänge schätzte Semper enorm hoch ein:
durch ihre unmittelbarer künstlerische Wirkung einen gewaltigen Eindruck ausüben und den Beschauer in eine gewisse feierliche Spannung versetzen.
Die langweiligen neutralen Vorhänge der heutigen Zeit können da leider nicht mehr mithalten. Aber was soll man erwarten, wenn die Absolventen der heutigen Kunstschulen nicht mehr malen lernen.

Verlockende Angebote

Aber zurück zum Thema. Der Vorhang war so beliebt, dass prompt eine Berufung an die Dresdener Kunstakademie folgte. Aber Keller lehnte diese Einladung ab (und später auch jene der Kasseler Kunstakademie 1878 und der Wiener Akademie der bildenden Künste 1882) und blieb seinem geliebten Karlsruhe erhalten.

Treueangebot

Wohl auch aus Dank für diese Treue erhielt Keller im November 1877 vom Großherzog Friedrich von Baden den Auftrag zu einem Historienbild zur Verherrlichung der badischen Geschichte. Es sollte die Sammlung der Karlsruher Kunsthalle schmücken, die noch kein bedeutendes Bild ihres Professors für Historie besaß. Das Gemälde Nero beim Brand Roms musste damals aus Kostengründen abgelehnt wurde.

Als Thema entschied sich Keller für den Sieg des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden über die türkische Streitmacht bei der Schlacht von Slankamen am 19. August 1691, kurz genannt Türkenlouis.

Ferdinand Keller - Türkenlouis (Entwurfsskizze) (1877-1878)
Öl auf Leinwand (47 x 71 cm)

Mit diesem Bild soll er seine koloristische Meisterschaft erreicht haben. Mit dem dynamischen Durcheinander der Figuren wäre Rubens zufrieden gewesen. Mir ist das Bild zu unruhig, aber aufgrund der vielen Details interessant zu betrachten.

Ferdinand Keller - Türkenlouis (1879)
Öl auf Leinwand (310 x 530 cm)

Anfang der 80er Jahre soll Keller von der koloristisch, dramatischen Darstellungsweise in Anlehnung an Makart Abstand genommen haben. Anhand der Schwarz-Weiß Darstellungen ist dies leider nicht wirklich sichtbar. Den österreichischen Meister begegnete er auf der Internationalen Kunstausstellung 1878 in Antwerpen. Der Respekt war gegenseitig und hielt ihr Leben lang.

Englische Verbindung

Das Gemälde Hero und Leander schätze Keller hoch ein, da er es gleich mehrfach zu Ausstellungen sandte. 1880 nach Düsseldorf, 1881 nach Karlsruhe und 1882 zur Wiener Internationalen Kunstausstellung.


Ferdinand Keller - Hero und Leander (1880)
Öl auf Leinwand (267 x 178 cm)

Dieses Bild behandelt eine Geschichte aus der griechischen Mythologie, die zu dieser Zeit in Deutschland nicht mehr hoch angesehen war. In England sah es noch ganz anders aus. Dort hatten die Victorianischen Klassizisten einen besseren Ruf. Inwieweit Keller jedoch konkrete Bekanntschaft mit Künstlern wie Lord Frederic Leighton oder Edward Poynter hatte, ist mir nicht bekannt.

Frederic Leighton - Elijah in the wilderness (1877-1878)
Öl auf Leinwand (243,3 x 210,4 cm)

Die Insel selber lernte er jedenfalls erst 1892 während einer Reise zu Hubert Herkomer kennen. Dieser aus Deutschland stammende Künstler war in England zu großem Ruhm aufgestiegen, hielt jedoch Kontakt mit den Künstler des Heimatlandes seiner Eltern aufrecht, so zum Beispiel auch mit Anton von Werner.

Bemalte Wände

Der Wandel der malerischen Ausdrucksweise Kellers lässt sich gut an dem Regierungs-Großauftrag 1885 zu einem Wandgemälde zur 500 Jahrfeier der Heidelberger Universität verdeutlichen.

Ferdinand Keller - Die Gründung der Universität Heidelberg (1886)
Öl auf Leinwand (270 x 500 cm)

Diese Bild zeigt eine weniger bewegte, klarere Darstellung als der barocke Türkenlouis. Oder, wie Schulze-Naumburg so schön schreibt:
... die überschäumende Verve von früher ist ins Galakleid geschlüpft und hat Hofformen angenommen.
Bei dem Heidelberger Bild werden reale und mythologische Figuren miteinander verknüpft und in wunderbar vollendeter Darstellung gemalt. Es ist heute noch in der Alten Universität Heidelbergs zu besichtigen.

Aufträge zu monumentalen Wandbilder konnte Keller auch zukünftig immer wieder an Land ziehen. So gewann er den Ende 1891 öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb zur Ausmalung des neu errichteten Landesgewerbemuseums in Stuttgart. Zwei der drei Monumentalgemälde sind durch kleine Fotografien überliefert, welche ansatzweise die Ausmaße und die malerische Klasse dieser Riesenaufgabe aufzeigt, welche Keller zwischen 1892 und 1896 permanent beschäftigte.

Ferdinand Keller - Mittelalter Landesgewerbemuseum (1894 - 1896)
Keimtechnik

Ferdinand Keller - Neuzeit Landesgewerbemuseum (1894 - 1896)
Keimtechnik

Auf dem Gebiet der monumentalen Wanddekoration galt Keller als ein großer Meister.
Zitat Deutsche Bauzeitung 1896:
Es darf ausgesprochen werden, daß sich diese Gemälde in Maasstab und Farbenwirkung außerordentlich glücklich in den architektonischen Rahmen einfügen und mit demselben
eine Harmonie des Eindruckes gewähren, wie er selten bei der Zusammenwirkng von zwei Kunstgebieten mit thatsächlich so verschiedenem Interesse in der Bemessung der Schlußwirkung beobachtet wird ... Neben Geselschap und Prell steht Ferdinand Keller heute als der bedeutendste unter den deutschen Monumentalmalern da.
Monarchie-Zögling

Nun wird es Zeit, näher auf eine Verbindung einzugehen, die Ferdinand Keller die nächsten 20 Jahre regelmäßig pflegte. Die Rede ist von seinen unzähligen Darstellungen und pathosreiche Huldigungen der Monarchie-Elite des deutschen Reiches. Die Badische Großherzogfamilie, die Hohenzoller-Prinzen und Kaiser sind auf vielen Gemälden abgebildet.

Kaiser 1

Den ersten Schritt der gegenseitigen Annäherung wagte Ferdinand Keller. Als Anlass kam der 90te Geburtstags Kaiser Wilhelm I 1887 gerade recht. Nicht schüchtern, bescheiden, sondern aus voller Überzeugung und ohne Auftrag sah er vor seinem inneren Auge ein gewaltiges Monumentalbild entstehen, Kaiser Wilhelm, der siegreiche Begründer des Deutschen Reiches.

Ferdinand Keller - Kaiser Wilhelm, der siegreiche Begründer des Deutschen Reiches - Entstehungsprozess (1888)
Öl auf Leinwand (500 x 700 cm)

Es sollte den großen Moment des Einzugs der Kaiserlichen Truppen am 16. Juni 1871 in Berlin darstellen. Ein Ereignis, von dem die königstreue Bevölkerung noch Jahrzehnte später voll Begeisterung sprechen wird, siehe zum Beispiel den Bericht Anton Werners oder die sich überschlagenden Worte des Kritiker Friedrich Pecht:
Man atmet förmlich auf, wenn man dies Bild sieht und dankt Gott, daß die glänzendste Periode unserer nationalen Geschichte hier doch einmal einen Verherrlicher gefunden hat, der ihren wunderbar poetischen Gehalt mit so hinreißender Schönheit ins Malerische zu übersetzen, uns nicht etwa die einzelnen Thatsachen zu erzählen - das thaten andere, vorab A. v. Werner schon vortrefflich genug -, sondern den ganzen berauschenden Jubel, den sie in uns Mitlebenden erzeugen mußten, auf der Leinwand festzuhalten wußte.
Anton von Werner - Im Etappenquartier vor Paris (24 Oktober 1870) (1894)
Öl auf Leinwand (120 x 158 cm)

Anton von Werner - Die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches (1877) - Linker Ausschnitt
Öl auf Leinwand (434 x 732 cm)

Dies sah natürlich nicht jeder so, für manch einen war es ein schwülstiger Haufen unzusammenhängender Einzelteile, welche den bekannt bescheidenden Charakter Kaiser Wilhelm I zuwider war.

Ferdinand Keller - Kaiser Wilhelm, der siegreiche Begründer des Deutschen Reiches (1888)
Öl auf Leinwand (500 x 700 cm)

Obwohl dieses Bild auf den verschiedensten Ausstellungen gezeigt und in der Regel bewundert wurde, konnte es keinen Käufer finden. Bei den Ausmaßen und dem bestimmt nicht ganz billigen Preis kein Wunder. Den warmen Worten Adolph Menzels und dem Drängen Kaiser Wilhelm II hat es Keller zu danken, dass im März 1890 sein Bild doch noch einen Ruheplatz in der Nationalgalerie fand. Keller war jedenfalls von seinem Werk so überzeugt, dass er die Verleihung einer Medaille 2ter Klasse auf der Münchener Ausstellung 1888 als Beleidigung abwies. Seine goldene Medaille 1ter Klasse bekam er aber dennoch. Dafür musste er 3 Jahre bis zur Internationalen Kunstausstellung in Berlin warten.

Dieses Gemälde wird gelegentlich auch Apotheose Kaiser Wilhelm I genannt. Einen Titel, den es sich mit einem 1890 erstellten Gemäldeentwurf teilen muss. Dessen bescheidenerer Bildaufbau scheint mir gelungener zu sein als das chaotisches Einzugsszenario der ersten Apotheose.

Ferdinand Keller - Apotheose Kaiser Wilhelm I - Skizze (1890)

Es wurde aber nie großformatig umgesetzt, da es
nicht ganz den Beifall
von entscheidender Stelle, dem badischen Großherzog, bekam.

Kaiser 2

Geweint haben wird Ferdinand Keller über diese Ablehnung wohl nicht, da er in diesen Jahren noch immer ein gefragter Maler war. Seine Verherrlichung Wilhelm I von 1888 traf den Zeitgeschmack so sehr, dass die "Verbindung für historische Kunst" in Berlin gleich im folgenden Jahre, also 1889, einen Auftrag für eine weitere Verherrlichung in Auftrag gab. Dieses Mal war Kaiser Friedrich III das Objekt der Begierde.

Ferdinand Keller - Verherrlichung Kaiser Friedrichs III (1890)
Öl auf Leinwand (410 x 262 cm)

Kaiser 3

Wer fehlt dann noch? Genau, ein Gemälde Kaiser Wilhelm II musste her, welches Keller im Jahre 1893 folgen ließ.

Ferdinand Keller - Bildnis Kaiser Wilhelm II (1893)
Öl auf Leinwand (350 x 235 cm)

Dieses Werk glorifiziert den Kaiser und stellt ihn machtvoll, selbstbewusst in vollem Ornat dar. Man mag mit solchen Darstellungen nichts anfangen können, aber die malerisch Umsetzung scheint mir, soweit man es erkennen kann, äußerst gelungen. Nicht ganz so sah dies der berühmte Kritiker Adolf Rosenberg, der sich nicht
an einen Kaiser des neuen deutschen Reichs, sondern an eines der hohlen Repräsentationsbilder im Geschmack Ludwig XIV
erinnert fühlte. Aber die Juroren waren begeistert von dem Gemälde und so konnte Keller die Goldene Medaille auf der Weltausstellung in Chicago 1893 in Empfang nehmen.

Monarchen sind auch nur Menschen

Das er neben diesen reinen Repräsentationsbildern auch menschlicher wirkende Darstellungen umsetzen konnte, zeigen seine Bilder des badischen Großherzogs Friedrich I.

So ist in dem Bildnis des Jahres 1903 der Großherzog in Montur und voller Größe abgebildet, aber sein fast väterlich, freundlich wirkender Blick und der scheinbar in den Wolken schwebende Balkon geben dem Bild einen privaten Charakter.
Ferdinand Keller - Bildnis Großherzog Friedrich I von Baden (1903)
Öl auf Leinwand (279,5 x 167,3 cm)

Ebenso ist das Gemälde von 1906 zur Goldenen Hochzeit des Großherzogpaares nicht ganz so repräsentativ, wie für diese Art der Darstellung typisch ist. Die beiden älteren Herrschaften wirken, wenn sie anders gekleidet wären, wie die lieben, weisen Großeltern von nebenan.

Ferdinand Keller - Doppelbildnis des badischen Großherzogpaares (1906)
Öl auf Leinwand

Ein vollständiger Blick hinter die Kulissen gewährt der Künstler mit seinem beeindruckenden Bilde der um ihre Mutter trauernden Großherzogin Luise aus dem Jahre 1890. Dieses faszinierende Portät ist in der für Keller typischen hell-dunkel Kontrastmalerei umgesetzt.

Ferdinand Keller - Großherzogin Luise in Trauer (1890)
Pastell (83,5 x 64,5 cm)

Private Aufnahmen

Diese Art der Blicklenkung ist schon bei älteren Porträts Ferdinand Kellers zu finden. So zum Beispiel auch in dem gelungenen Porträt seiner Gattin Wilhelmine aus dem Jahre 1883, welches das Gesicht und die zarten Hände seiner Frau extrem betont.

Ferdinand Keller - Bildnis Wilhelmine Keller (1883)
Öl auf Leinwand (212 x 114,5)

Die für einen Künstler wohl größte Ehre wurde Keller im Jahre 1888 durch den ehrenvollen Auftrag des Staates Italien zuteil,
sein Selbstbildnis jener einzigartigen Sammlung von über vierhundert Selbstporträts berühmter Maler in der Galleria degli Uffizi des Palazo degli Uffizi in Florenz
einzuverleiben. (Gaertner, ein Freund Kellers)
Ferdinand Keller - Selbstbildnis Studie für Uffizienbild (1889)
Pastell (57 x 50 cm)

Nach vielen Übermalungen war Keller 1890 endlich mit dem Resultat zufrieden. Eine Pastellstudie zu diesem Bild ist vorhergehend abgebildet.

Symbolistische Einflüssse

Seit seiner Spanien und Italienreise 1889 traten erstmal vermehrt Landschaftsbilder in seinem Schaffen auf. Diese waren aber nie reine, typische Landschaftsbilder, sondern meist ruhige, zum Nachdenken animierende Gegenden voll poetischer Stille.

Ferdinand Keller - Arkadien (evtl 1899)
Öl auf Leinwand (86 x 111 cm)
Ferdinand Keller - Mythologische Landschaft (1894)

Die Bilder Ferdinand Kellers erinnern in dieser Phase an die Werke der Symbolisten, die damals in Mode waren. Beispiele hierfür sind vielzählig. So könnte man ohne schlechtes Gewissen das 1900 entstandene Gemälde Entsagung auch dem Maler Fernand Khnopff zuschreiben .

Ferdinand Keller - Entsagung (1900 - 1901)
Öl auf Leinwand (70 x 100 cm)

Fernand Khnopff - Die Klausnerin (I lock my door upon myself) (1891)
Öl auf Leinwand (72 x 140 cm)

Und das Gemälde Im Hain des Poseidon von 1900 ist eindeutig angelehnt an Böcklins Heiliger Hain von 1882.

Ferdinand Keller - Im Hain des Poseidon (1900)

Arnold Böcklin - Heiliger Hain (1882)
Gefirnisste Tempera auf Leinwand (105 x 150 cm)

Keller bewunderte seinen Kollegen so sehr, dass er 1901 sein berühmtestes Gemälde, in Anlehnung an Böcklins Toteninsel, Böcklins Grab nannte. Eine Hommage, die unter Kollegen, soweit mir bekannt, einmalig ist für ein Hauptwerk.

Ferdinand Keller - Böcklins Grab (1901)
Öl auf Leinwand (117 x 99 cm)

Arnold Böcklin - Die Toteninsel (5. Variante) (1886)
Öl auf Holz (80 x 150 cm)

Sinkender Stern

Ende des letzten und Anfang des 20. Jahrhunderts sank der Stern Ferdinand Kellers langsam aber stetig. Er wurde von offizieller Seite zwar noch mit verschiedenen Auszeichnungen beehrt, aber die Kunstkritik ging nicht gerade zimperlich mit ihm um.

1913 starb seine Frau Wilhelmine und in diesem Jahr ging er in den Ruhestand. Ihn packte noch einmal, wie schon zu Beginn seinen Lebens, das Reisefieber. Dänemark, Griechenland und die Türkei waren seine letzten Ziele.

1918 heiratet er sogar nochmal (Martha von Albert), siedelte nach Baden-Baden um und starb dort am 8. Juli 1922. Er Ruhe in Frieden!

Kunst kommt von Können

Keller war, wie schon beschrieben, aufgrund seiner technischen Meisterschaft ein Könner auf vielen Gebieten und man kann ihn nicht mit einfachen Begriffen fassen. Seine Fähigkeiten waren sagenhaft. In seiner Kritik an den modernen Strömungen der Malerei hielt er Zeit seines Lebens fest.

Kunst kam für ihn von Können, auch wenn tausend Kritiker dies anders sahen. Mit der thematischen Erweiterung des Darstellbaren konnte Keller nicht viel anfangen. Er war eingezwängt in der klassischen Vorstellung, dass Kunst ausnahmslos dem Schönen, dem Idealen gewidmet sein sollte.
Freilich, da malen sie irgend ein herausgerissenes Stück, möglichst nach der Seite des Abschreckenden und Häßlichen, schon als solches gesucht, abgesehen davon, daß das Häßliche nie Gegenstand der künstlerischen Darstellung sein darf... Die Kunst soll naiv sein, nicht reflektirt (1894 über die Realisten)
Was aber als Kritik uneingeschränkt bestehen bleiben kann, ist die fatale Entwicklung, dass die Erweiterung der darstellbaren Themen Hand in Hand ging mit einer Vernachlässigung des Könnens. Begonnen hat dies mit der Geringachtung der Perspektive (siehe den Leibl-Bericht) und führte über die kunstlosen Spielereien eines Picassos zu den lächerlichen, dilettantischen Nichtskönnerwerken unserer Zeit (siehe 60 Meisterwerke der Bildzeitung).

Hier wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet!

Brillanter Lehrer?
Als Lehrer war Keller, wenn man der Mehrzahl der Bericht glauben mag, ein fähiger Mann.


Christian Wilhelm Allers - Professor Keller korrigiert
Zeichnung

Eine der wenigen kritischen Stimmen war die seines Schüler Franz Hein.
Unser Meister war allerdings kein Erzieher und verstand es nicht, von seiner genialen, meisterlichen Kunst zu unsern Anfängen durch ein erklärendes oder begründendes Wort die Brücke zu schlagen. Er konnte nur vorschreiben oder sich entsetzen und sagen: "Ach, geben Sie mir einmal Palette und Pinsel" - und dann malte er mit prächtigem Schwunge in kürzester Zeit den Kopf oder Akt zurecht, daß man wohl zuweilen einen "echten Keller" nach Hause tragen konnte, aber selten imstande war, an der eigenen Arbeit fortzufahren. Manches Wertvolle, das er uns übermittelt, ist darum fremd und nutzlos für uns geblieben, weil er es uns nicht nahe bringen konnte.
Wie so oft im Leben kann man das Gleiche auch mit anderen Augen sehen. So schreibt der ehemalige Böcklinschüler Ernst Würtenberger, der auch bei Keller unterricht nahm:
Zuerst war Keller zurückhaltend in seiner Kritik, bis er meine Schwächen und Grenzen genau kannte; dann aber legte er um so schärfer los ... Er ging immer auf meine Bildabsichten ein, ohne mir seine Auffassung aufzwingen zu wollen; er wollte, daß ich ein Motiv zu Ende dachte als Farbe und Form.
und weiter
Da war ich nun einen Meister und wirklichen Lehrer geraten, der durch seine Erfahrung, sein Können und Wissen mir in jeder Art imponieren mußte. Nun weiß ich wohl, daß Ferdinand Keller heute nicht hoch im Kurs steht, daß jeder junge Kunstkritiker ihn lästern und beschimpfen darf. Aber ich muß der Wahrheit die Ehre geben und wiederhole, daß er ein Meister und der erste und einzige Lehrer war, von dem ich wirklich etwas gelernt habe.
Weiser Mann

Den Bericht möchte ich mit einem zeitlosen Rat Kellers an seine Schüler beenden:
Alles, was Sie machen, meine Herren, sei es klein oder groß, machen Sie so gut wie Sie können!