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Montag, 22. Dezember 2008

Ich sehe die Millionen nicht

Medien-Blindflug

Die Lobhudelei der Medien über die moderne Kunst ist manchmal unglaublich. Mal ist es hochtrabend mit scheinbar viel Tiefgang formuliert. An anderer Stelle wird mit überschwänglichsten Worten in den Himmel gelobt, dass man kaum noch glauben kann, sich auf dem Boden der Tatsachen zu bewegen.
Immer jedoch tritt eine große Überraschung auf, wenn das Geschriebene mit den realen Werken verglichen wird.
Dann ist es nicht zu begreifen, warum man soviel kaschierende Worte für ungeschickteste, dilettantische, meist hässlich und oft lächerlich wirkende Werke verwendet. Warum nicht das Ding beim Namen nennen, anstatt es verzweifelt schön zu reden.

Ein Beispiel ist der FAZ-Bericht über die große Dame der abstrakten Malerei. (Onlineartikel)

Helen Frankenthaler

Beschrieben ist eine Ausstellung in der New Yorker Gallerie Knoedler. Präsentiert wird dort die Grand Dame Helen Frankenthaler. Habe ich als Einfaltspinsel natürlich noch nie gehört. Dies wird wohl daran liegen, dass ich die Kapitel der modernen Malerei bisher immer überschlagen habe. Aber ich bin ja hier, um zu lernen.

Sie scheint auf jeden Fall eine selbstbewusste Frau zu sein, da sie die Crème de la Crème der modernen Malerei, de Kooning und Pollock, schon weit hinter sich gelassen hat.

Von Bergen und Seen

Andreas Achenbach: Norwegische Gebirgslandschaft (1840)
Öl auf Leinwand - 92 x 131,5 cm

Ihr berühmtestes Gemälde Mountains and Sea hat sie schon 1952 geschaffen. Woow, Berge und Seen und eingeschlagen haben soll es wie eine Bombe. Jetzt bin ich neugierig geworden und habe die Suchmaschine angeworfen.
Mir schwebt etwas in der Kategorie eines Andreas Achenbachs vor, aber upps, was sehe ich da? Nein, kann nicht sein. Ein Rorschach-Test in bunt. Ein paar unkoordiniert hingeschmierte Farben und zittrige Striche. Da muss ich mich wohl vertippt haben. Komisch, kriege diesen Rorschach-Test schon wieder. Dann muss im FAZ Artikel ein Schreibfehler vorliegen. Nicht aufregen, weiter lesen.

Akrobatische Kunst und Erfindergenie

Frau Frankenthaler muss einen guten Rücken haben, wie Horst Schlemmer sagen würde. Sie arbeitet nur auf dem Boden. Respekt, und das in ihrem hohen Alter.
Und sie hat etwas erfunden. Alle Großen der Großen pilgerten damals zu ihr, um die Lösung dieses Geheimnis im Stillen zugeflüstert zu bekommen.
Sie hatte es tatsächlich geschafft, dass die Farbe in die Leinwand einzieht.
Wahnsinn, Farbe zieht in die Leinwand ein und bleibt dadurch auf der Leinwand erhalten.
Damit hat sie die Brücke zu den Altmeistern der früheren Jahrhunderte gefunden, deren Farbe auch teilweise sogar heute noch, nach all den Jahrhunderten, auf den Gemälden zu erkennen ist. Ich bin geplättet. Soviel Erfindungsgeist hätte ich nicht erwartet. Unser Anstreicher bekommt das höchstens mit Tapete hin, aber Leinwand, da muss erstmal einer drauf kommen.

Eingezogene Farbe auf Leinwand ist wirklich große Kunst. Da wundert es mich nicht, und der lieben Redakteurin natürlich auch nicht, dass jedes ihrer Werke Minimum 2 Millionen Dollar kostet.

Kindergarten träumt vom Westen

Albert Bierstadt: Rocky Mountains (1866)

Ein weiteres, scheinbar fast genauso geniales Bild wie die Berge und Seen scheint Western Dream von 1957 zu sein. Western Dream. Da werde ich an die Hudson River School erinnert, welche in Pionierarbeit den Westen der USA erkundete und den staunenden Menschen, in einer Medienzeit des Schwarzweiß ohne Bildüberflutung, das unbekannte Land in einer seiner ganzen Farbenpracht näher brachte. Und Frau Frankenthaler hat auch so ein Meisterwerk geschaffen.
Aber irgendwie ist heute der Wurm drin. Ich werde auf der FAZ Seite immer wieder zu einer Kindergartenarbeit des größten Rabauken der Gruppe verwiesen. Da hat der gute 4-Jährige zwar einiges an Farbe in die Leinwand einziehen lassen und er wird es wohl auch auf dem Boden (und, da er es nicht lassen konnte, hat er auch die Wand des Kindergartens gleichzeitig mitgenommen) gemalt haben, aber, mit Verlaub, die Arbeiten der Mädchen seiner Gruppe sind wohl um einiges angenehmer zu betrachten. Unser Chaot hat einfach ein paar braune, rote und blaue Flecken, während er gerade sein Butterbrot aß, auf die Leinwand geworfen.
Und, wie es in dem Alter üblich ist, ein paar angedeutete Augen und ein, zwei Käfer zustande gebracht. Das reichte ihm.

Millionen Dollar verschwunden

Mir reicht es bald. Ich würde gerne das große, millionenschwere Meisterwerk sehen und nicht dieses von der Redaktion versehentlich vertauschte Kindergartenbild eines ihrer 4-jährigen Sprösslinge.
Was lese ich da?
von jedem naturalistischen Detail befreit

Dies kann ich nur bestätigen. In dem Alter kann man aber auch noch nicht mehr erwarten.
Und überraschend finde ich es, genauso wie sie, wenn hier in aller Öffentlichkeit die privaten Bilder der Kinder der Redaktion gezeigt werden. Wirklich eine
überraschende Intimität

Dollar im Quadrat aufgetaucht

Es ist noch von Provincetown I aus dem Jahr 1961 die Rede. Wieder Bild vertauscht, wieder millionenfach in jedem Kindergarten täglich zu sehen. Wieder ein paar zittrige farbige Linien hingeschmiert, andeutungsweise ein Viereck gemalt. Das alleine ist schon 1,5 Millionen Dollar wert. Dann aber noch der blaue Fleck in der Mitte und siehe da, schon die 2 Millionen Grenze erreicht. Jetzt noch links unten ein roter Klecks und das Bild ist schon 2,5 Millionen Dollar. So wird Geld verdient.
Wie steht es so schön geschrieben:
symmetrische Elemente mit dynamischen ein farbkräftiges Spiel

Muss ich ihr teilweise wirklich recht geben. Das angedeutete Viereck ist nicht wirklich parallel, aber die große Künstlerin hat die Strapazen auf sich genommen, die vier Striche jeweils gegenüber zu setzen.
Das ist Kunst, das ist Symmetrie. Auf die Idee muss man kommen, obwohl eine fünfte Ecke das Bild wahrscheinlich nochmal um 500000 Dollar wertvoller gemacht hätte. An der falschen Ecke mit der einsickernden Farbe gespart.
Was sie mit dynamisch meint, weiß ich nicht, aber von farbkräftig kann man bei diesen paar mickrigen, unharmonischen Farbflecken nicht wirklich sprechen.

Kunstblabla mit alten Meistern

Aber ich habe keine Lust mehr, würde gerne die Meisterwerke der Frau Frankenthaler sehen und nicht die versehentlich vertauschten.
Wie dem auch sein, die Redakteurin bringt zum Schluss, als Krönung ihres Kunstblabla, das übliche Gefasel, dass die Malerin angeblich auf ihren Reisen von den alten Meistern gelernt hat. Also in einer Tradition mit diesen steht. Wie man dieses ernsthaft schreiben und behaupten kann, ist mir völlig schleierhaft. Mehr Welten als zwischen einem Rembrandt oder einem akademischen Maler des 19. Jahrhunderts und dieser Grand Dame kann es nicht geben.