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Freitag, 13. Januar 2017

Gähnende Langeweile

Das Jahr ist zu Ende und die Top 10 der Verkäufe wurde wieder von der FAZ veröffentlicht. Es sieht leider auf dem Kunstmarkt aus wie immer. Die Kassenschlager 2016 sind fast durch die Bank weg einfallslose, dilettantische, hässliche Materialvergeudungen ohne jeden Kunstwert. Zeichnerische Brillanz, malerische Vollendung, Komposition, Detailfreude oder Erzählkunst sind nicht zu finden. Bei den Namen der Pseudokünstler, die aufgelistet sind, auch kein Wunder.

Hier die Plätze 10 bis 1:

10)
Francis Bacon, „Two Studies for a Self-Portrait“, 1970, Öl auf Leinwand, zweiteilig, je 35 mal 30 Zentimeter groß: Zuschlag bei 31 Millionen Dollar. Oh je! Da hat der liebe Herr Frühstücksspeck aber ordentlich eins auf die Nase bekommen. Leider wirkte sich dies auch auf seine Hand aus, verschmierte er seine simplen Studien doch glatt kurz vor Vollendung. Anspruchsvoll und kritisch wie wir sind, hätten die beiden Blätter bei uns sofort den Weg in den Mülleimer gefunden. Doch dem Briten plagten da weniger Skrupel. Zu seinem Glück, sonst wäre am Ende Platz 10 und 31 Millionen Schmerzensgeld nur ein Traum geblieben.

9)
Cy Twombly, „Untitled (New York City)“, 1968, Mischtechnik auf Leinwand, 154 mal 174 cm: Zuschlag bei 32,5 Millionen Dollar. Ein unnachahmliches Meisterwerk. Diese l's sind brillant geschwungen und jeder einzelne Buchstabe ist sein Geld wert. Bei geschätzten 25 l's pro Zeile und 6 Reihen macht das nach Adam Riese über 200000 Euro je Zeichen, eine lächerlich geringe Summe für solch große Kunst.

8)
Cui Ruzhuo, „The Grand Snowing Montains“, 2013, Tinte und Farbe auf Papier, 299 mal 873 Zentimeter: Zuschlag bei 33,5 Millionen Dollar. Ich habe den Namen Ruzhuo noch nie gehört, aber sehe direkt, dass er ein gerissener und selbstbewusster Mann ist. Da er kein besonderes zeichnerisches Können besitzt, aber gerne erfolgreich sein wollte, griff er auf den bekannten Trick zurück, potentielle Käufer durch Masse statt durch Klasse zu beeindrucken. Bei fast 9 Meter Breite ist ihm das vorbildlich gelungen.

7)
Edvard Munch, „Mädchen auf der Brücke“, 1902, Öl auf Leinwand, 101 mal 102 Zentimeter: Zuschlag bei 50 Millionen Dollar. Munch war ein Freund von Brücken. Im Gegensatz zum Schrei hat er es diesmal bunter gemalt und mehr Farbtuben verbraten. Die Käufer dankten ihm diesen unermüdlichen Einsatz, im Gegensatz zum Rekordverkauf von 2012, aber nicht. Einen dreistelligen Millionenbetrag konnte er 2016 leider nicht einstreichen. Vielleicht findet sich ja nächstes Jahr wieder ein blinder Investor, dem es Freude macht, Abermillionen für ein simples Gemälde auf VHS-Niveau zu verbrennen.

6)
Amedeo Modigliani, „Jeanne Hébuterne (au foulard)“, o. J., Öl auf Leinwand, 92 mal 54 Zentimeter: Zuschlag bei 50,4 Millionen Dollar. Modigliani konnte seine Fähigkeiten realistisch einschätzen. Er hatte kein Talent und auch kein Können. Deshalb wagte er sich nie an komplexere Darstellungen und lenkte seine Konzentration voll und ganz auf die manieristischen Porträts des dilettantischen Realismus, den er auch hier zelebrierte.

5)
Jean-Michel Basquiat, „Untitled“, 1982, Acryl auf Leinwand, 238 mal 500 Zentimeter: Zuschlag bei 51 Millionen Dollar. Ich habe Angst. Die Teufelsmaske ist ja so gruselig. Da vergesse ich fast zu erwähnen, wie lächerlich schlecht dieses gigantische Graffiti ist.

4)
Peter Paul Rubens, „Lot und seine Töchter“, um 1614, Öl auf Leinwand, 190 mal 225 Zentimeter: Zuschlag bei 51,8 Millionen Dollar. Welch Freude. Ein alter Meister hat sich hier verirrt. Nicht mit einem Hauptwerk, aber immerhin. Da nur alle Ewigkeiten ein größeres Werk eines Malers seines Kalibers auf den Markt kommt, hat es natürlich und zu Recht einen stolzen Preis erzielt.

3)
Pablo Picasso, „Femme assise“, 1909, Öl auf Leinwand, 81 mal 65 Zentimeter: Zuschlag bei 56,6 Millionen Dollar. Der Kubismus-Verehrer wird diese sitzende Frau als große Kunst bewundern. Mit nüchternem Blick sieht man jedoch nur ein langweiliges Fleckenmuster, in Windeseile hingeschustert, welches der clevere Spanier als Massenware herstellte, um damit den Markt und seine Geldbörse zu überschwemmen.

2)
Willem de Kooning, „Untitled XXV“, 1977, Öl auf Leinwand, 195 mal 223 Zentimeter groß: Zuschlag bei 59 Millionen Dollar. Wo de Kooning draufsteht, ist auch de Kooning drin. Farbschmierereien, die höchstens Mütter von zweijährigen Kindern stolz machen würden.

1)
Claude Monet, „Meule“, 1891, Öl auf Leinwand, 72 mal 92 Zentimeter: Zuschlag bei 72,5 Millionen Dollar. Der Sieger ist ein typischer Monet. Ein buntes Bild in Regenbogenfarben ohne Inhalt und Details, welches mit deiner Signatur bei eBay maximal 100 Euro Wert wäre. Meine Frau interessiert sowas aber überhaupt nicht und findet das Bild trotzdem schön. Warum auch nicht. Denn ästhetisches Empfinden ist rein subjektiv und hat keine Bedeutung dafür, ob etwas Kunst ist oder nicht.

Freitag, 4. März 2011

Das Glück der Klee-Blätter

Brillante Idee
Ich habe eine brillante Idee und werde sie mit dir teilen. Wir werden reich. Und so unglaublich es auch klingen mag, man muss nichts können. Gar nichts.
Es gibt nur eine Voraussetzung. Durchsuche bitte mal deine alten Unterlagen, ob du nicht eine Kunstmappe aus deiner Kindergartenzeit oder dem ersten Schuljahr findest.
Ja, gefunden? Wunderbar. Denn diese kleinen unschuldigen Blätter mit ihren kindlichen Strichen, Formen und Flecken werden dein Leben vollständig verändern.

Umsetzung
Wie, willst du wissen? Ich verrate es dir. Folge mir.

Als Erstes brauchst du einen weiteren Vornamen. Nämlich Paul. Ab heute nennst du dich Paul. Du bist eine Frau? Egal. Marie wird im Spanischen auch für Männernamen verwendet, also warum nicht Paul im deutschsprachigen Raum für Männlein und Weiblein. Eine Geschlechtsumwandlung ist nicht notwendig. Und wer von deinen Freunden mit deinem neuen Vornamen Probleme hat, besteht den Eichtest für wahre Freundschaft sowieso nicht.

Paul alleine reicht natürlich nicht. Neue Eltern müssen her. Und zwar welche, die Klee heißen. Adoptionen sind heutzutage kein Problem, also nehme das Telefonbuch zur Hand und mache dich auf die Suche nach deinem neuen Nachnamen. Sei freundlich und bereite die Anträge schon mal vor.

Erfolgsgarantie?
So, das war eigentlich alles. Bald wirst du reich sein. Wie, glaubst du mir noch nicht? Woher ich das alles weiß?

Vorbild
Weil ein Schlaumeier aus einem mir unerklärlichen Grunde meine Idee abgegriffen hat und sich als Paul Klee ausgibt. Er ist sogar so clever, seinen Geburtstag ins vorletzte Jahrhundert zu verlegen, um auf jeden Fall als Erfinder dieses genialen Schachzugs zu gelten. Der Schuft. Und nun überschwemmt dieser Paul Klee die großen Auktionshäuser mit seinen Kindergartenbildern und erzielt mit diesen Blättern Millionen-Dollar Preise.

Geld für alle
Aber das Gute für uns daran ist, es scheint weiterhin eine große Nachfrage zu bestehen. Also sammle deine malerischen Jungendsünden und schicke sie ein. Den Rest machen die Damen und Herren bei Sothebys und Christies. Diese kreativen Köpfe finden wunderbare Formulierungen für die kleinste Banalität und wandeln jedes Gekritzel in ein großes, absichtsvolles Meisterwerk um. Daneben sieht Rembrandt wie ein kleiner, dilettantisch, langweiliger Realist aus.

So wird's gemacht
Sind auf deinen Kindheitswerken die beliebten Strichmännchen mit dünnen Armen, Beinen, Körper und riesigem Kopf zu finden? Perfekt! Denn dann hattest du als Kind schon die weise Einsicht erlangt, dass Gedanken die Welt lenken, aber man trotzdem mit beiden, wenn auch manchmal wackeligen Beinen, im Leben stehen muss.

Noch mehr Quatsch gefällig? Kein Problem, es gibt genug ernst gemeinte Beispiele:

Beispiel 1
Gartenfigur, läppische 5 Millionen Dollar (5.137.162 $)

Paul Klee - Gartenfigur (1932) - Öl auf Leinwand (81,5 x 61,3 cm)

Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Allein der Namen regt poetische Stimmung an, versteckte Tiefen kommen zum Vorschein, die auf künstlerischen Theorien beruhen. Hier wird die Natur sowohl als visuelles Modell, als auch als strukturierendes Konzept dargestellt. Der Mensch und die Natur sind eins. Es ist eine autonome Struktur mit eigener Physiognomie dargestellt. Und zuletzt natürlich eine Einladung an den Betrachter, den Künstler auf seiner kreativen Reise zu folgen. Wow, ich will gar nicht erst dran denken, was noch alles für versteckte Wunderdinge in dem Meisterwerk lägen, wenn Klee es 'Gartenzwerg' statt 'Gartenfigur' genannt hätte....

Was sieht der naive Laie?
Wovon reden die? Links vor einer kleinen Tür steht eine etwas zu groß aufgeblasene Papiertüte mit einem geschlossenen und einem offenen Auge, schiefem Mund nebst kleinem schwarzem Pickel. Mehr nicht.

Beispiel 2
Pflanze und Fenster Stilleben, 5 Millionen Dollar (5.010.500 $)

Paul Klee - Pflanze und Fenster Stillleben (1927) - Öl auf Leinwand (47,6 x 58,4 cm)

Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Der Mond und die Sonne spielen tänzelnd miteinander und die glühenden Farben der Pflanze umspielen zärtlich das dunkle Fenster, wobei diese wunderbaren, verwirrenden geraden Linien die beiden Hauptgegenstände des Bildes verbinden. Das Fenster, natürlich rein architektonisch betrachtet, komplementiert geschickt in seinem dunklen Ton den neutralen olivfarbigen Hintergrund. Oder, wie schon ein schlauer Mann über den Künstler sagte: "Das Ferne war für ihn immer am nächsten".

Was sieht der naive Laie?
Der gute Paul ist meinem Ratschlag gefolgt und hat einen Strichmännchen-Kopf eingebaut. Der Körper ist zwar etwas zu dick für die reine Lehre, aber an sich bringt ein Strichmännchen schon mal locker 2 Millionen Dollar extra. Nur mit dem verhunzten Fenster wäre ich als Häuslebauer unzufrieden und würde den Architekten verklagen. Das die Sonne direkt im Zimmer scheint, gefällt mir hingegen gut. Das spart Heizkosten.

Beispiel 3
Der Künftige, 3 Millionen Dollar (3.330.500 $)

Paul Klee - Der Künftige (1933) Öl auf Leinwand (61,1 x 49,5 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Natürlich ist dies Klees Antwort auf die Pseudo-Utopischen Ideologien der 30er Jahre und eine Parodie auf den Übermenschen. Beeindruckend gemalte flammende Hose und zombieartiger Blick zeugen von seinem beißendem Humor und tiefgründiger Gesellschaftskritik an den Zuständen seiner Zeit und dem Abgrund, der kommen wird.

Was sieht der naive Laie?
Schön, aber das hat nichts mit Kunst zu tun. Du könntest der feinfühligste, tiefsinnigste, liebenswürdigste Mensch der Welt sein und möchtest deine Abscheu an den Fehlentwicklungen unserer Zeit (oder deine Freude über die Schönheit in der Welt) mittels Musik zum Ausdruck bringen. Aber wenn du deiner Geige nur ein paar schräge, krächzende Töne entlocken kannst, ist das vielleicht aller Hochachtung wert, aber keine Kunst. Gleiches gilt für Malerei. Und von diesem Urteil ist auch Klee nicht ausgenommen. Nüchtern betrachtet sieht man ein paar verschachtelte Formen, Augen, dicke Nase, Mund und frei schwebende Gliedmaßen. Mit kräftigem Rot wurde nicht gespart, um damit den Blick von den anderen Bildern im Kindergarten auf diesen roten Übermenschen zu lenken.

Beispiel 4
Sollte Steigen, Fast 3 Millionen Dollar (2.827.050 $)

Paul Klee - Sollte Steigen (1932) Öl auf Leinwand (59,5 x 86,6 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Klee hatte ein Konzept. Respekt, denn Konzepte sind immer gut für den Preis und treiben ihn enorm in die Höhe. Sein Konzept bei diesem Bild ist das Aufsteigen, welches er durch Ballon und Pfeil darstellte. Ein wahrer Geniestreich des Meisters. Die nach oben strebenden Elemente stehen im Kontrast zu den eher anarchisch, instabilen Kräften der drachenförmigen Gebilde. Diese werden durch Gravitationskräfte, natürlich symbolisiert durch die Erdfarben, hin und her geschleudert und sind immer in der Gefahr, von den Urgewalten zermalmt zu werden.

Was sieht der naive Laie?
Ein paar ungeschickte gemalte Rundungen und Vierecke. Damit es nach schwerer Arbeit aussieht, pedantisch gerade Striche samt tiefgründigem Pfeil und angedeuteten Luftballon. Eine Kritzelei, die jeder von uns schon mal aus Langweile während des Unterrichts in seiner Schulzeit aufs Papier geschmiert hat. Vielleicht in bescheidenerem Format, aber immerhin.


Beispiel 5
Junger Garten (Rhythmen), 3 Millionen Dollar (3.152.000 $)

Paul Klee - Junger Garten (Rhythmen) (1927) Öl auf Leinwand (65 x 51,7 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Hier ist, wie immer beim allmächtigen Klee, die große poetische Qualität des Werks offensichtlich. Diese Muster evozieren eine mystische, unbekannte Bildsprache, die den ägyptische Hieroglyphen ähnelt. Und nicht nur das. Das zeichnerische Meisterwerk in der oberen Mitte des Bildes, welches an einen Tannenbaum erinnert, nimmt uns an die Hand und führt uns direkt in die Natur hinein. Welch geniales, seitdem nie mehr erreichtes Meisterwerk, konnte man hier für lächerliche 3 Mille erworben.

Was sieht der naive Laie?
Die Linien eines Notenblatts sind mit großem Eifer eigenhändig gezeichnet. Darauf ein bisschen Käsekästchen gespielt und den Rest fleißig mit weiteren geometrischen Mustern gepflastert, so dass kein Zentimeter des Blattes ungenutzt blieb.


Beispiel 6
Freundlicher Ort, gute 1 Million Dollar (1.670.530 $)

Paul Klee -  Freundlicher Ort (1919) Gouache und Aquarell (19,2 x 23,5 cm)
Was will uns der Kunstwerbefachmensch des Auktionshauses weismachen?
Dieses Bild verknüpft die beiden Hauptthemen, mit denen sich Klee zur damaligen Zeit beschäftigte. Garten und Architektur. Hierbei wird in hellen Farben ein harmonisches Nebeneinander von flachen, blockartig aufgebauten Quadraten erzeugt, welches sehr an seine früheren Darstellungen nordafrikanischer Architektur erinnert. Die rechteckigen Farbkleckse kennzeichnen Gebäude, während die länglichen Formen schlängelnde Pfade zwischen diesen darstellen. Umspielt ist das Ganze von grünen Pinselstrichen, welche ein Stück Natur in dieses fröhliche, verspielte Kunstwerk bringen.

Was sieht der naive Laie?
Mir fehlen die Worte. Er steht seinem Freund August Macke in nichts nach. Deren Tunesienreise von 1914 lässt heute noch jedes Kritikerherz höher schlagen. Was ich jedoch von diesen Orientaquarellen halte, kann man hier lesen. Das dort geschriebene passt hundertprozentig auch auf Klee und seine Bilder.


Abschluss
Also beeile dich, bevor das Glück der Klee-Blätter verbraucht ist!

Montag, 19. Januar 2009

Gebhardt entdeckt Boris Beckers Vorfahr

Van Gogh verschwindet in den Akten

Vincent van Gogh: Selbstbildnis (1887)

Boris Beckers leichte Ähnlichkeit mit Vincent van Gogh ist wohl bekannt.
Aber alle Spekulationen, dass er ein Vorfahr von ihm sein soll, können nun getrost beendet werden.

Vorfahr gefunden
Denn ich bin einer ganz anderen heißen Fährte gefolgt und habe DEN Vorfahren von Boris Becker entdeckt. Es ist nicht irgendjemand zu irgendeiner Zeit. Nein. Er ist ein Zeitgenosse und Anhänger Jesus gewesen. Ja, wirklich. Dies kann ich belegen. Bitte folge mir. Und wer die ketzerische Frage stellt, was ein rothaariger Deutscher zu Beginn unserer Zeitrechnung in Palästina zu suchen hat, auch dem sei das Weiterlesen empfohlen.

Dokument gesichtet

Eduard von Gebhardt: Die Auferweckung des Lazarus (1896)
Öl auf Holz - 117 x 160 cm

Wie bin ich an dieses Dokument gekommen? Ganz einfach. Ich entdeckte den Vorfahren auf einem Gemälde von Eduard von Gebhardt, "Die Auferweckung des Lazarus" aus dem Jahre 1896.

Eduards Bio
Gebhardt ist ein typischer Vertreter der zu Unrecht von der modernen Kunstgeschichtsschreibung ignorierten akademischen Maler des 19. Jahrhunderts.

Eduard von Gebhardt wurde 1838 als Sohn eines Pfarrers in St. Johannes(Järva Jaani), dem heutigen Estland geboren, welches damals deutsches Gebiet war. Dort wurde er im strengen protestantischen Glauben erzogen, den er Zeit seines Lebens behielt.
Deshalb wundert es nicht, dass sein Hauptwerk religiösen Inhalts war.
Nach seiner Schulzeit in Reval besuchte er drei Jahre die Akademie in St. Petersburg, unternahm mehrere Studienreisen und landete 1860 in die Stadt, der er den Rest seines Lebens verbunden blieb. Düsseldorf.
Dort wurde er 1860 Schüler Wilhelm Sohns und nach einigen Erfolgen 1873 selber Professor an der Kunstakademie. Nach einem langen Künstlerleben verstarb er 1925 in Düsseldorf. Soweit seine Kurzbiografie.

Die Tausend Auferstehungen des Lazarus
Nun zu dem Bild selber.

Dargestellt ist eine dramatische Geschichte aus dem Johannesevangelium, die Auferweckung Lazarus.

Diese Szene ist im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gemalt worden (Linksammlung).
Mehr oder weniger bekannte Berühmtheiten wie Giotto, Del Pimbo, Caravaggio, Rembrandt oder eben Gebhardt haben dies Bibelstelle als Bildthema geschätzt.

Sebastiano del Piombo: Die Auferweckung des Lazarus (1519)

Rembrandt van Rijn: Die Auferweckung des Lazarus (um 1630)

Mir gefällt von allen Fassungen Gebhardts Version am besten. Grund ist die feine, individualisierende Darstellung wirklicher, mit Blut gefüllter Menschen. Nicht, wie zum Beispiel bei den Nazarenern, eine eher 'ideale' (wessen Ideal dies auch immer sein mag), oft leblos wirkende Natur, sondern Menschen mit klar erkennbaren Fehlern und Schwächen. Diese Art von Realismus bestimmte schon zu Lebzeiten Gebhardt die Kritik, aber für jemanden, der mit den religiösen Werten selber nichts verbindet, ist dies kein Hinderungsgrund.

Ansonsten beeindruckt aus meiner Sicht nur noch die düstere Version Rembrandts.

Worum gehts?
Zur Handlung. Die Geschwister Marta, Maria und Lazarus sind Freunde Jesus. Marta ist die geschäftigere, häuslichere der beiden Schwestern. Maria eher dem Glauben und der Andacht Jesus verhaftet. Eines Tages erkrankt ihr Bruder schwer und sie schicken Jesus die Botschaft, schnell zur Hilfe zu eilen. Er erscheint, jedoch zu spät. Vier Tage ist Lazarus schon tot. Die Vorwürfe der Schwestern, dass er ihren Bruder hätte retten können, wenn er früher erschienen wäre, lassen Jesus nicht unberührt.
Sie gehen gemeinsam zu dem Grab, eine mit einem Stein verschlossene Höhle. Dort waren viele Menschen versammelt, die um den Toten trauerten. Jesus ließ den Stein entfernen und bewirkte das Wunder der Auferstehung. Soweit die Geschichte in einfacher Kurzform. Wer genaueres zu diesem Thema erfahren möchte, kann dies zum Beispiel unter folgendem Link vertiefen.

Zeitspiele
Eduard von Gebhardt packte dieses Thema in einer für ihn typischen Art an. Er versetze die Szene in die Zeit der Reformation in deutsche Lande. Diese künstlerische Freiheit begründeter er mit

Wir lesen die heilige Geschichte in Luthers Sprache; sollten wir die heiligen Gestalten nicht auch in der Tracht aus Luthers Zeit darstellen dürfen?

Dies ist nichts Außergewöhnliches, da zu allen Zeiten Künstler Szenen der Vergangenheit mit Personen ihres Zeitalters und der Kleidung ihrer Region gestaltetet haben. So auch Gebhardt.

Wir sehen keine Höhle im Fernen Osten, sondern einen Friedhof in einer typisch deutschen Landschaft.
Ein glühender Himmel hüllt die Szene in ein magisches Gewand. Es herrscht Ruhe unter den Trauernden, welche das gerade geschehene Wunder verarbeiten müssen.
Nur Jesus steht selbstbewusst im Zentrum des Bildes, mit dem Finger in den Himmel weisend.
Er ist der Mittelpunkt der Komposition. Die Spitze der Pyramide, welche Maria, Jesus und die beiden vorderen Helfer bilden. Außerdem ist Jesus der Kreuzpunkt der links und rechts auf ihn zulaufenden Diagonale, welche durch die beiden Personengruppen gebildet wird.

Malerische Detailvielfalt
Malerisch sind die verschiedenen Gesichtszüge und Gesten der Anwesenden auf höchstem Niveau dargestellt.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Das ängstliche, kleine Mädchen links, welches Sicherheit am Rockzipfel seiner Mutter sucht.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Die Männer und Frauen der Gruppe neben ihr sind voller Leben dargestellt. Einer der Männer ist geblendet von dem Licht des Wunders. Er schützt seine Augen. Es ist nicht irgendwer, sondern der Maler selber.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Vor Jesus niederkniend die beiden Schwestern Marta und Maria. Maria, mit langem Haar, weinend vor religiöser Verzückung und Glück.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Marta, hinter ihr, noch fassungslos Jesus erblickend. Auch sie ist keine Unbekannte, da Gebhardt seine zu diesem Zeitpunkt todkranke Frau als Marta ein letztes Denkmal setzte.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Der gerade neu zum Leben erweckte Lazarus (eine gewisse Ähnlichkeit zu der MAD Figur Alfred E. Neumann ist ihm nicht abzusprechen, aber das ist eine andere Geschichte...), der nicht weiß, wie ihm geschieht, ist sehr gelungen gemalt. Ich habe noch nie eine Leiche nach vier Tagen gesehen, vor allem keine neu zum Leben erweckte. Aber sie sieht, im Vergleich zu den anderen im Web zu findenden Lazarusdarstellungen, realistischer aus. So stelle ich mir dies auf jeden Fall vor.

Der fehlende Boris

Halt, fast hätte ich es vergessen. Es geht hier doch um den Vorfahren des berühmten Boris Becker.

Eduard von Gebhardt: Ausschnitt - Die Auferweckung des Lazarus (1896)

Et voilà, hier ist er: Als ob man den jungen Boris leibhaftig vor sich hätte. Also, habe ich zu viel versprochen?

Eingeständnis
Leider muss ich jedoch eingestehen, mit dem Alter des Becker-Vorfahren um 1900 Jahre geflunkert zu haben. Er ist leider ein Zeitgenosse des späten 19. Jahrhunderts, verkleidet in einem Kostüm der Lutherzeit, darstellend einen Zeitgenossen Jesus.

Nicht ganz so beeindruckend ist dies, aber immerhin kannte ihr Vorfahr den großen Maler Eduard von Gebhardt. Und das ist doch auch schon was, oder Herr Becker?

Nachtrag
Wer Augen hat der sehe. Und ich habe ihn nicht gesehen, aufmerksame Betrachter im Internet schon. Denn links von Boris Becker ist auch noch der junge Günther Jauch zu finden. Sachen gibts...

Sonntag, 11. Januar 2009

Expressionismus Light oder Macke vs. Bauernfeind

Das Wunder des Expressionismus

Habe eben den Artikel in Wikipedia zum Expressionismus gelesen. Mich schaudert es, wenn ich dieses typische Kunstblabla lese. Und es wundert mich, wenn ich die hochtrabenden Sätze mit der Realität der Bilder vergleiche, wie jemand klaren Sinnes so etwas schreiben und glauben kann.

Bildvergleich

Ich möchte das Geschwafel etwas genauer unter die Lupe nehmen und mit einem Bildvergleich unterlegen. Ich werde hierbei die angeblich ach so großen Orient-Aquarelle des August Macke den dilettantischen Aquarell-Schmierereien eines Gustav Bauernfeind gegenüberstellen.

August Macke

Offizieller Blick

Macke gilt als einer der großen deutschen Expressionisten. Seine Werke haben Eingang in die Geschichtsbücher gefunden, seine Bilder zieren unzählige Jahreskalender. Seine Orient-Aquarelle sollen zu den Meisterwerken der Menschheit zählen. Auf jeden Fall laut The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, dort sind sie nämlich alle zu finden.

Klarer Blick

Ich betrachte dies um einiges nüchterner und sehe zu Beginn seiner Laufbahn einen 4-klassigen Künstler, der ein paar simple, akzeptable Porträts malte, jedoch, aufgrund fehlenden Talents, jeden seiner Pinsel entfernt von komplizierteren Kompositionen hielt.

Schnell ist er wohl zu dem Schluss gekommen, dass mit seinem beschränkten Können der Weg zum Malerfürsten etwas beschwerlich werden könnte. Er hatte jedoch Glück. Jemand flüsterte ihm das magische Geheimnis des Erfolges zu. Nämlich erstens viel Geschwätz über die angebliche Bedeutung seiner Werke verbreiten. Und zweitens das Bild immer schön dilettantisch aussehen lassen, dann wird's was mit der Karriere. An diesen Rat hat er sich den Rest seines Lebens gehalten.

So meine Version des Meisters des dilettantischen Realismus, die sich wohl so mehr oder weniger zugetragen haben mag.

Gustav Bauernfeind

Offizieller Blick

Gustav Bauernfeind (1848-1904) hingegen ist ein nicht erwähnenswerter Langweiler ohne Gefühl und Kunstwert.
Nicht zu Unrecht ist er unbeachtet und vergessen in Jerusalem gestorben. Man könnte ihn, aufgrund seines Könnens, zu den akademischen Malern zählen. Und die waren alle nichts.

Klarer Blick

Bauernfeind wurde als sechstes von neun Kinder eines Stadtapothekers 1848 in Sulm am Neckar geboren. Sein Vater verunglückte früh, so dass Bauernfeind schon mit 17 Jahren selbst für seinen Lebensunterhalt verantwortlich war.

Er schloss trotz dieser widrigen Umstände ein Architekturstudium in Stuttgart erfolgreich ab. Gewann einen Architekturwettbewerb und erhielt den Auftrag, Ansichten von Italien und der Schweiz für einen Verlag festzuhalten (1873/1874).

Diese Reise überzeugte ihn endgültig, dass er zum Maler, statt zum Architekten berufen war. Autodidaktisch bildete er sich weiter. Aufgrund eines Honorars für eine Innenvedute des Bayreuther Festspielhauses konnte er sich den Traum einer Orientreise erfüllen. Dies waren wohl unvergessliche Momente, da in den folgenden Jahren weitere Reisen in den Orient folgten.

1896 verließ seine Familie, wohl auch aufgrund finanzieller Probleme in München (er wohnte dort seit 1876), sein Heimatland und wanderte nach Jerusalem aus. Dort starb er am Heiligen Abend des Jahres 1904. Er wurde in aller Stille auf dem Friedhof der Templergesellschaft in Jerusalem beigesetzt.

Autodidakt

Ich kenne kaum einen Maler (eigentlich fällt mir gerade gar kein anderer ein), weder im deutschsprachigen noch internationalen Vergleich, der als Autodidakt der Malerei zu solchen Höhen der Kunst geschwungenen ist. Großartige, komplexe Kompositionen, feines Farbgefühl, perfekt gemalte Perspektiven kennzeichnen sein Werk. Die exotische, faszinierende Region des Orients spiegelt sich in seinen Bildern wider, wie dies nur wenigen anderen gelungen ist. Bei einem Israel-Urlaub hatte ich manchmal den Eindruck, Teil eines Bauernfeindbildes zu sein. Und dies ist aus meiner Sicht ein großes Lob.

Wikipedia Artikel

Nun zurück zu dem Wikipedia-Artikel und den Aquarell-Orientbildern des großen Expressionisten und denen des unbedeutenden, pedantischen Langweiler.

1. Sein Erlebnis


Das Besondere des Expressionismus soll sein,

dass der Künstler versucht, sein Erlebnis für den Betrachter darzustellen.

Als ob dies etwas Besonderes wäre, etwas großartiges Neues. Ganze Schulen der Landschaftsmalerei oder der Orientmaler, so wie Bauernfeind, haben oft ausschließlich das dargestellt, was sie selber erlebt und gesehen haben. Diese Faszination des Orients ist bei Bauernfeind nicht nur spüren, nein auch zu sehen.

Gustav Bauernfeind: Jude in Jerusalem
Aquarell - 30,8 x 11,7 cm

Gemeint ist jedoch mit "sein Erlebnis" noch etwas anders. Das sich angeblich die psychische Empfindung beim Malen manifestieren muss. In der Praxis heißt das, je schlechter gemalt, desto tiefgründiger sein Erlebnis. Diesen Quatsch muss man jedoch nur als Expressionist glauben.

August Macke: Landschaft bei Hammamet (1914)

Wenn man Mackes ungeschickte Farbkleckse dagegen sieht, schien ihn die Landschaft ziemlich kalt gelassen zu haben. Seine schwammigen, lustlos hingeschmierten Bilder weisen auf Langeweile, denn auf Begeisterung für die fremde Kultur hin.


2. Seelischer Ausdruck
Als Kunst des seelischen Ausdrucks dem Impressionismus (Darstellung der äußeren Erscheinung der Dinge) entgegentrat und diesem somit diametral gegenüberstand.

Da bin ich ja mal gespannt, wie die lieben Expressionisten ihre Seele auf der Leinwand ausdrücken.
Wenn es kunstvoll geschieht, dann will ich nicht meckern.
Die Intention des Künstlers mag für ihn selber von Bedeutung sein, was als Kunstwerk jedoch zählt, ist das Ergebnis. Wenn dieses dilettantisch ist, dann mag der Mensch seine Seele auf die Leinwand gebracht haben, aber es hat nichts mit Kunst zu tun.
Es kann für seinen Therapeuten von Interesse sein, solange das Werk aber millionenfach in jedem VHS-Kurs gemalt werden kann, hat sein Werk nicht den Vorrang vor diesen Millionen anderen VHS-Dilettanten.

In Museen soll Platz für Kunst und nicht für Kunsttherapie sein!

August Macke: Blick in eine Gasse (1914)

Die Seele Mackes hat scheinbar nicht all zu viel auszudrücken. Ein paar Kleckse, angedeutete Person, fertig.

Gustav Bauernfeind: Die Klagemauer in Jerusalem
Aquarell - 97,1 x 51,4 cm

Bauernfeinds fast ein Meter großes, fantastische Aquarell (es gibt eine identische, noch größere Ölversion dieses Motivs) der Klagemauer mag als Vergleich dienen. Auch ohne Geschwafel über den seelischen Ausdruck des Malers erkennt man, dass er von dieser Region und den Menschen beeindruckt war.

3. Farbe, Dynamik und Gefühl
Die Elemente Farbe, Dynamik und Gefühl lassen sich in nahezu jedem expressionistischen Kunstwerk finden.

Respekt. Farbe ist bei der Malerei schon ab und zu vorhanden. Sehr gut erkannt. Dynamik und Gefühl also auch noch. Gut. Aber wohl doch eher das typische, hohle Geschwätz, welches sich zwar nett anhört, aber keine Entsprechung auf der Leinwand findet.

Jeder VHS Schüler kann soviel Gefühl beim Schmieren seiner Leinwand aufbringen, dass die Butter im Kühlschrank schmilzt. Das Ergebnis wird dadurch aber auch nicht besser.

Der Expressionist kann, wenn er Spaß daran hat, sich den ganzen lieben Tag wie ein blaues Pferd von Franz Marc fühlen. Solange er dies aber nicht gekonnt malt, hat dies nichts mit Kunst zu tun.

August Macke: Markt in Algier (1914)

Farbe hat er wirklich benutzt. Die Töpfe seines Malkastens schön gleichmäßig geleert. Ob er dabei Gefühle hatte, weiß ich nicht. Aber was das ganze mit Dynamik zu tun haben soll, verstehe ich als Expressionismus-Laie mal wieder nicht.

Gustav Bauernfeind: Die Davidstraße in Jersualem 
Aquarell - 49 x 32,7 cm

Er hat nicht nur Farbe benutzt, sondern sie auch gekonnt verwendet. Ob die Maurer und Schreiner dieser Straße Dynamik haben walten lassen, kann ich nicht beurteilen. So lieblos wie die Bilder Mackes wirkt das Resultat auf jeden Fall nicht.

4. Freiheit für Form und Farbe
Der freie Umgang mit Farbe und Form

Heißt übersetzt: kann nichts, hat nichts gelernt, bekommt es besser nicht hin. Freier Umgang heißt im Klartext, jeder Müll soll absichtsvoll erscheinen.

August Macke: Kairouan-3 (1914)

Kann ich nur bestätigen. Perfekter Expressionismus. Farbe und Form sind sehr frei gewählt und haben nichts mit kunstvollem Können zu tun.

Gustav Bauernfeind: Der Teich Bethesda in Jerusalem (1886)
Aquarell - 48,5 x 32,1 cm

Farben hat Bauernfeind auch benutzt, aber sich scheinbar nicht an den freien Umgang gehalten, sondern alles kunstvoll als Gesamtwerk komponiert. So wird das nichts als Expressionist, würde man ihm zurufen, wenn er noch leben würde.

5. Reduzierung ohne Perspektive
Motivreduzierung aufs Wesentlichste und der Auflösung der traditionellen Perspektive.

Passt zum vorherigen. Aufs Wesentliche bin ich schon sehr gespannt. Das Wesentliche muss ein Künstler immer auf die Leinwand bringen, da der Platz nur sehr begrenzt ist. Wesentlich scheint es auf jeden Fall zu sein, so ungeschickt zu sein, dass Perspektive und Komposition schön schief und hässlich sein müssen.

August Macke: Im Basar (1914)

Hier hat er wirklich reduziert. So weit reduziert, dass alles angedeutet ist und nichts klar erkennbar. Augen, Nase, Mund und sonstiges unwesentliches Zeug schön beiseite gelassen.

Gustav Bauernfeind: Eingang zum Tempelplatz in Jerusalem
Aquarell - 48,1 x 32,1 cm

Dieser bedeutende Ort ist mit viel Liebe zum Detail wiedergegeben. Perspektivisch hat der Streber sein Bild perfekt gemalt. Expressionistisch eine Katastrophe.

6. Direkt und Spontan

drückten die Expressionisten ihre eigenen Regungen aus, sie gaben direkt und spontan ein „durchfühltes“ und interpretiertes Motiv weiter.

Direkt und spontan. Gut. Anders habe ich es nicht erwartet. Mit Liebe zu einer Sache hat dies nicht viel zu tun, wenn alles direkt und spontan geschehen muss. Etwas auszuarbeiten und kunstvoll zu gestalten, verlangt mehr, als eine schnelle Skizze. Dies verlangt Können und Passion, welches den ungeschickten Händen der Expressionisten meist völlig fehlt.

Gustav Bauernfeind: Orientalische Straßenszene (Jerusalem)
Aquarell - 29 x 29 cm

Setzen. Sechs, würde der gute Expressionist jetzt sagen. Bauernfeind hat sich wieder an keine Regel dieser großen Schule gehalten. Nicht spontan und direkt hingeschmiert wie der große Macke. Nein, sorgsam ausgearbeitet hat er das Bild. Welch Schande und welch Verbrechen gegen die reine Expressionismuslehre. Zum Glück kannte Bauernfeind diese nicht. Es sei ihm verziehen.

7. Protest
Der Expressionismus richtete sich als Protest gegen die damals bestehende Ordnung und somit vielfach gegen das Bürgertum.

Die guten Expressionisten können Protestieren gegen alles und jeden, solange es ihnen Spaß bereitet. Wenn sie jedoch als Künstler bezeichnet werden wollen, zählt ihr künstlerisches Resultat. Und ich befürchte, dies ist eher grauenhaft schlecht als von Können gezeichnet.

August Macke: In der Tempelhalle (1910-1914)

Stimmt, hier hat Macke wohl gegen den Tempel protestiert. Das aber grauenhaft schlecht.

Gustav Bauernfeind: Kaffeehaus in Jerusalem (1880)
Aquarell - 31,7 x 46,4 cm

Gegen was hat der gute Gustav denn hier protestiert? Wohl gegen das Rauchen verbotener Substanzen im Kaffeehaus. Dies ist aber, außer für Expressionisten, unerheblich. Die Atmosphäre solch eines Hauses ist, auch ohne lebende Staffage, wunderbar wiedergegeben. Das ist Kunst, aber leider kein Expressionismus.

8. Geistige Haltung
Es war mehr die geistige Haltung, die den Expressionismus ausmachte.

Schön für sie. Und was hat das mit Kunst zu tun? Sie können halten was sie wollen.

August Macke: Händler mit Krügen (1914)

Nach allem, was ich von Macke gesehen und gelesen habe, wird seine geistige Haltung 1A gewesen sein.

Gustav Bauernfeind: Motiv aus Damaskus (1889) Aquarell - 37,5 x 26,8 cm

Ein kleiner Winkel Damaskus ist mittels des Meisters Hand zum Leben erwacht. Seine Empfindung hierbei ist egal. Aber, um den Expressionisten zu beruhigen, bei der großen Liebe zum Detail wird er bestimmt eine positive geistige Haltung bewahrt haben.

Sie sollten ihre geistige Haltung auf Seite legen und sich auf die Suche nach der verlorenen künstlerischen Haltung begeben. Zu finden ist sie bei Gustav Bauernfeind!

Sonntag, 4. Januar 2009

Megaseller und Bohlen's 'Das Supertalent'

Top 2008

Der Kunstmarkt hat, wie man mal wieder anhand der Liste der teuerst verkauften Bilder des Jahres 2008 sehen kann, nichts mit wahren Kunstwerken am Hut. Gekauft werden die Akteure, die von sogenannten Fachleuten in den Himmel gepriesen werden.

Große Kunst darf man hierbei natürlich nicht erwarten, Können ist aufgrund dessen fehl am Platz. Ein Blick auf die Liste in der FAZ macht dies mehr als deutlich.

Kasimir Malevich: Suprematistische Komposition (1916)Öl auf Leinwand - 88,5 x 71 cm

Wer 53 Millionen Dollar zu viel hat, um diese gegen ein paar bunte Linien eines Malevich einzutauschen, hat eine äußerst merkwürdige Art, sein Geld zu verpulvern. Aber er muss genug davon haben, deswegen sollten wir uns nicht allzu große Sorgen um diesen Geldhahn haben.

Mit diesem abstrakten Geniestreich möchte ich mich diesmal nicht beschäftigen, sondern mit der Staffel 'Das Supertalent' 2008. Wieso das, wo soll denn da der Zusammenhang sein? Ich glaube, ich muss ausholen.

Bewegte 33 Millionen Dollar

Edgar Degas: Danseuse au repos (um 1879)
Pastell auf Papier, 59 mal 64 cm

Platz 10 der Megaseller 2008 war für läppische 33 Millionen Dollar zu haben. Erworben hätte man damit ein Pastel-Bild, „Danseuse au repos“, um 1879, von Edgar Degas (1834-1917).

Degas gilt als einer der großen Maler des 19. Jahrhunderts. Bewegung soll er meisterhaft gemalt haben. Völlig zu Unrecht in meinen Augen, da seine Bilder dort aufhören, wo große Kunst anfängt.
Er ist kein typischer Impressionist, wird eher aufgrund seiner Bekanntschaft mit diesen in eine Verbindung gebracht. Gemeinsam ist natürlich, dass das malerische Können nicht ihrer Stärke ist.
Schlecht finde ich Degas nicht, teilweise gefallen mir seine Werke, aber als großen Künstler, der Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat, kann man ihn nicht gelten lassen. Dort gehören andere hin.

Suppenwerk

Sein Top 10 Werk ist eigentlich eher eine Studie. So wäre es in früheren Zeiten auch bezeichnet worden, bis jemand auf die schlaue Idee kam, diese halbgaren Werke als impressionistisch beendet zu erklären. Gerade hier, wo das Können und die Liebe zur Malerei beginnt, endet der Dilettant sein Werk.
Dies ist wie eine Suppe, zu der man die Zutaten wie gekauft in einen großen Topf wirft. Bisschen Wasser rein, fertig. Die Mühe des Schälens und die Kunst des Würzens lässt man besser ganz sein, da man dies als Dilettant nur falsch machen kann. Gibt ja genug Einfaltspinsel, die auch solch eine kalte Suppe kaufen. Und siehe da, ein weiterer Impressionist ist geboren.

Ratte mit gebrochenem Bein

Sein angebliches Meisterwerk ist von solch einer Kategorie. Schnell ein paar braune und weiße Pastelpinselchen auf die Leinwand geschmiert, Boden und Wand angedeutet, hier etwas Grün, damit alles schön farbig wirkt, zwei Beine und Arme unten dran und fertig ist die kleine "Ratte", wie die jugendlichen Ballett-Tänzerinnen damals manchmal genannt wurden. Gelungen sind einzig die glänzenden Haare.
Ansonsten schmerzt der Anblick der schiefen Beine. Das verdrehte, rechte Bein der armen Ratte wird in den nächsten Sekunden brechen. Für uns eine schauerliche Vorstellung. Aber dem lieben Maler machte dies wohl weniger aus. Nur keine Korrektur, sagte er sich, da mache ich nur noch mehr Baustellen auf. Alles bloß so lassen hat man mir gesagt, in 100 Jahren ist dies große Kunst.

Das Supertalent

Und was hat das mit "Das Supertalent" zu tun?

Noch immer nichts direkt, aber wir nähern uns.

Der wohl bewegendste Auftritt in der Show war jener, mit der ätherisch, schwebenden Stimme Lisa Gerrards unterlegte Auftritt, des Derwisch-Tänzer Shinouda Ayad.

Was ein Derwisch sein soll, wird vorher nicht jeder gewusst haben. Aber mit seiner hypnotischen Vorstellung und dem endlos um die eigene Achse drehen, hat er es dem Publikum näher gebracht.

Lebloser Akademiker

Jean-Léon Gérôme: Die wirbelnden Derwische (1899)
Öl auf Leinwand - 72,5 x 94 cm

Mir war dies als Liebhaber der akademischen Meister des 19. Jahrhunderts nicht ganz unbekannt, da mir das Ölgemälde 'Die wirbelnden Derwische' (1899), ein Bild Jean-Léon Gérômes (1824-1904), noch vor Augen schwebte.

Gérôme war ein Zeitgenosse von Degas und galt zur Recht als einer der ganz großen Meister im 19. Jahrhundert. Heutzutage wird er als lebloser, akademischer Techniker vom Mainstream verlacht oder ignoriert. Dass die großen Akademiker natürlich Bewegung genauso oder besser als der angeblich so beachtenswerte Degas darstellen, zeigen die folgenden Bilder. Dies ist nicht verwunderlich, da bei Beherrschung der Grundlagen und dem nötigen Talent alles gemalt werden kann. Denn ohne Können keine Kunst.

Was bei diesem Bild Gérômes überrascht, ist seine Größe. Es ist fast genauso groß wie das von Degas (Degas 59 x 64 cm, Gérôme 72,5 x 94 cm), wirkt aber zehnmal größer. Ein Effekt der detaillierten, kunstvollen Öl-Malerei.

Derwische überall

Dargestellt ist ein Tanzritual der Derwische. Als Derwisch wird jemand bezeichnet, der der mythischen Tradition des Islam, der Sufi, angehört, welche durch Gebet, Mediation, Askese oder gemeinsamen Zeremonien samt Tanz und Musik, eine ekstatische Annäherung an Gott erreichen will.
Solch eine Zeremonie kann mehrere Stunden dauern. Der monotone Gesang und die Musik können zu tranceartigen, hypnotischen Zuständen führen. Jemand steht auf und beginnt sich zu drehen. Und er dreht sich und dreht sich und dreht sich. Immer und immer wieder. Je nach Alter langsam oder schnell. Genau dieses permanente Drehen wurde beim Auftritt in der TV Sendung Das Supertalent 2008 gezeigt.
Und auf dem Meisterwerk Gérôme ist solch ein drehender Derwisch ebenfalls dargestellt.

Gérôme bewegt

Im Gegensatz zu Degas Megaseller ist dies ein vollendetes Bild, man fühlt sich als Zuschauer dieser Zeremonie. Nach einer ersten Skizze wurde das Bild nicht für vollendet erklärt, sondern hier begann erst die Kunst. Gérôme ist für seine sorgsam ausgearbeiteten Gemälde bekannt. Er hatte bestimmt solch eine Veranstaltung vorher besucht und die Eindrücke in vielen kleinen Studien und Skizzen festgehalten. Erst als er zufrieden mit seiner Komposition war, konnte das Ölgemälde beginnen.

Man kann einen beliebigen Ausschnitt aus dem Bild wählen und hat immer ein kleines Meisterwerk vor sich.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Ansammlung der Turbane grenzen den Halbkreis um den Tänzer ein und wirken zum Greifen nah.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Musiker ergäben ein wunderbares eigenes Bild.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Bewegung des tanzenden Derwisch ist in Perfektion dargestellt. Im Gegensatz zum ach so großen Meister Degas, ist hier die Bewegung wunderbar gelungen. Jeder Pinselstrich sitzt. Der Wind des drehenden Rocks weht einem scheinbar entgegen.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die hypnotischen, in Trance gefallenen Gesichter sind vielfältig und ausdrucksstark dargestellt. So auch die Bewegungen und Körperhaltungen dieser Personen.

Jean-Léon Gérôme: Auschnitt- Die wirbelnden Derwische (1899)

Die Stoffe glänzen und die Personen leben.

Die Darstellung verzeiht keine Fehler und zeigt hier den großen Meister.
Und dies ist mit Sicherheit nicht Degas oder die sonstigen Megaseller, sondern der große Gérôme!


Nachtrag:
Mir fällt gerade eine weitere Verbindung zwischen Gérôme und dem Auftritt in der Fernsehsendung Das Supertalent auf. Dies ist die brillante Musik von Lisa Gerrard. Und zwar ist der Zusammenhang folgender:
Der Film Gladiator wurde nach Aussagen von Ridley Scott von Gérômes Gemälde Pollice Verso inspiriert. Und siehe da. Sowohl der Gladiatorfilm als auch der TV Derwisch wurden von ihrer Musik begleitet.
Soweit ein weiteres Kapitel der Reihe, Wissen, welches die Welt nicht braucht.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Genie vs. Unbekannt (Teil 1)

Die Geschichte der Malerei des 19. Jahrhunderts wird völlig verfälscht in den Medien präsentiert. Die Darstellung ist meist folgende:
Es gab zu Beginn des 19. Jahrhunderts den klassizistischen Maler David, dann kam Ingres und Delacroix und dann gab es scheinbar viele Jahre überhaupt niemand erwähnenswertes, bis endlich die Impressionisten, vorbereitet durch Courbet, das Licht der Bühne erblickten und die Malerei Richtung Cubismus, Expressionismus und Co. führten.
Das jedoch in der Zeitspanne von 1840 bis zum 1. Weltkrieg die größten Maler aller Zeiten gelebt und gearbeitet haben, wird verschwiegen. Dies ist natürlich verständlich, da ein Vergleich dieser großen Meister mit den dilettantischen Resultaten von Cezanne, Picasso, Klee, Mondrian und Konsorten deren fehlendes Können offen legen würde.
Deshalb bereitet es mir eine Freude, Bilder der großen Genies mit denen der unwürdigen akademischen Maler des 19. Jahrhunderts zu vergleichen.
Eines der Kunst-Standardgeschichtswerke für Dummys ist die Geschichte der Malerei von Wendy Beckett. In ihr ist die Kunstgeschichte, wie nicht anders zu erwarten, beschrieben wie oben skizziert. Die Bilder bis zum 19 Jahrhundert sind auf hohem Niveau. Dann jedoch, zum Ende des 19. Jahrhunderts und hinein ins 20te werden die Bilder immer dilettantischer, kindischer, schlechter. Können, was bei den Künstlern anderer Jahrhunderte so hoch gelobt und besungen wird, scheint ab diesem Zeitpunkt für die liebe Nonne, Frau Beckett, nicht mehr zu zählen. Austauschbare Bilder von ungeschickter Hand, deren Wert einem neutral blickenden Menschen völlig unerklärlich sind, werden als große Werke gepriesen. Groß natürlich nur, weil sie die Unterschrift von X, Y oder Z tragen. Von Frau Mustermann gemalt, würde dies niemand interessieren.

Paul Cezanne vs. Oswald Achenbach
Einer der großen Vorreiter dieses dilettantischen Realismus und 'Wegbereiter der Moderne' ist der gute alte Paul Cezanne (1839-1906). Verlacht von seinen Zeitgenossen ist heute jede Buchhandlung mit seinen Büchern überfrachtet. Als eines seiner großen Meisterwerke hat Frau Beckett das Bild(Gemälde wäre übertrieben) Le Chateau Noir(1900-1904) gewählt. In unverständliche Worten und typischem Kunstblabla preist sie das Bild.
Licht... als Vibration tief im Inneren eines jeden Bildgegenstands,
Jede Form hat wirklich Substanz...,
...daß ein Gemälde sowohl kompositorisch überzeugend als auch formal unabhängig sein sollte.

Vergleichen möchte ich es mit einem ähnlichen Gemälde des in Vergessenheit geratenen akademischen Maler Oswald Achenbach(1827 - 1905), Villa d'Este in Tivoli(1892). Oswald Achenbach ist der jüngere Bruder des damals weltberühmten Andreas Achenbach, der gleichzeitig sein erster Lehrer war. Oswald verbrachte mehrere Jahre in Italien und wurde später zum Professor in seiner Heimatstadt Düsseldorf ernannt. Berühmt war er vor allem  wegen seiner detaillierten, lebendigen Bilder des italienischen Lebens. Er erhielt Ehrenprofessuren und Goldmedaillen in mehreren Ländern und die Mitgliedschaft in der französischen Ehrenlegion.

Frage:
Vom Bildaufbau sind beide Bilder ähnlich gestaltet. Eine relativ dunkle Stimmung, Bäume und Vegetation, man blickt von links auf ein(e) Schloss/Villa und im rechten Bildteil ist ein blauer Himmel zu sehen. Ich möchte jedoch, um die nicht wirklich vorhandene Spannung aufrecht zu halten, erst am Ende erwähnen, welches Bild von dem genialen, weltberühmten Cezanne ist und welches von dem nicht erwähnenswerten Achenbach :-)

Vegetation:
Der erste Maler hat sich mit seinem angedeuteten Baum, farblich ganz ansprechend, auf den einfachen Weg gemacht. Alles sehr flach und leblos gemalt, wohl seinem Können entsprechend.


Auf dem anderen Bild sind in detaillierter Form und mit viel Geschick die verschiedensten Gräser dargestellt. Ich habe schon eine Vermutung, wer das nicht beachtenswerte Häuflein Elend ist und wer das Genie. Mal weiter sehen...

Himmel:
Blau ist er ja, aber das waren die Himmel auf meinen Kinderbildern auch. Blau, aber was noch? Dunkel sieht es aus, sowohl für den Himmel, als auch für den Maler. Der kann ja gar keine Brise in den Himmel zaubern, alles flach und langweilig.


Dagegen ein lebendiger Sonnenuntergang in den verschiedensten Farbabstufungen auf dem anderen Bild. Das rötliche der untergehenden Sonne schluckt die letzten blauen Strahlen des Himmels. In dieser Bildwelt würde man gerne einen Abend verbringen, in der ersten Welt wohl an der blauen,  vom Himmel kommend Farbe ersaufen...

Gebäude:

Die grellen Farben sind zwar geblieben, aber dass in dieser comicartigen, zittrig gepinselten Schlosswelt jemals ein Mensch gelebt hat, darf man jenem fiktiven Wesen auf keinen Fall wünschen.


Im Gegensatz dazu die im wechselnden Abendlicht leuchtenden, festen Mauern der schönen italienischen Villa. Fenster sind nicht nur als unbeholfener Strich, sondern plastisch zu erkennen. Ein Gebäude, welches, im Gegensatz zu dem Krickel-Krackel-Schloss des ersten Bildes nicht beim ersten Wind davon getragen wird.

Gesamtwirkung:
Das wichtigste an einem Bild ist jedoch seine Gesamtwirkung, und da wird das große Genie in seiner vollen Größe erstrahlen. Oder etwa nicht?

Cezanne: Le Chateau Noir (1900-1904)
Öl auf Leinwand - 74 x 97 cm

Mein ungeschultes Auge sieht auf jeden Fall nur ein schrecklich schlecht gemaltes Bild. Tausendfach jeden Abend in den Abendkursen der Volkshochschule nachmalbar. Ohne Signatur hätte dieses dilettantische, leblose Bild null Wert. Es kann nicht zu den Meisterwerken der Menschheitsgeschichte gezählt werden, so blind kann niemand sein.

O. Achenbach: Villa d'Este in Tivoli (1892)
Öl auf Leinwand - 119,5 x 150 cm
Das andere Bild ist ein wirklich stimmungsvoller Blick auf eine südliche Landschaft. Es gibt Details zu entdecken und macht Freude auf einen Urlaub in südlichen Gefilden.

Auflösung:
Das Musterbeispiel dilettantischen Realismus, das blaue Bild, ist, wie nicht schwer zu erraten war, von Cezanne. Das Könnerbild von Achenbach. Mir ist es und bleibt es ein Rätsel, wie jemand dies, wie Frau Beckett, anders sehen kann.

Sonntag, 23. November 2008

Hildebrandt: Model mit Bart schadet dem Professor



Ferdinand Theodor Hildebrandt, Die Ermordung der Söhne Eduards, 1835 

Eng aneinander geschmiegt, einer in den Armen des anderen liegend, schlafen die beiden Kinder den Schlaf der Gerechten. Neben ihnen liegt ein Gebetsbuch und ein Rosenkranz, der scheinbar, kurz bevor die Augen zufielen, von ihnen noch benutzt wurde. Jedoch sind diese beiden unschuldigen Knaben nicht alleine. Zwei finster drein blickende Männer sind zu dieser späten Stunde in ihre Kammer eingedrungen. Einer der beiden hat den Vorhang bei Seite geschoben, der andere mit einem kräftigen Griff die Decke entfernt. Das Bild zeigt den Augenblick, wo die beiden Erwachsenen innehalten, und die schlafenden Kinder betrachten. Was jetzt geschieht, lässt sich erahnen, da eine Hand des linken Mannes fest einen Dolch umklammert. Beschrieben ist hier eine Szene aus Shakespeares Tragödie, Richard III. Richard hatte die Königskrone an sich gerissen, obwohl die beiden, als Kinder des früheren Königs Eduard IV, die eigentlich erbberechtigten Könige sind und Eduard der 5te es für kurze Zeit schon war. Aus Angst vor zukünftigen Rachetaten wurden die beiden Kinder in den Tower gesperrt und später ermordet. Was wirklich in dem Tower mit ihnen geschah, konnte von den Historiker nicht eindeutig geklärt werden. Diese schaurige Szene wurde von mehreren großen Malern in Szene gesetzt. Die wohl bekannteste Fassung ist die 4 Jahre frühere Version von Paul Delaroche. Was hat dies alle mit Lehrern, Modeln und ungeliebten Bärten zu tun? Ich lese gerade in dem Buch 'Kunstwerke und Kunstansichten' von Johann Gottfried Schadow [teilweise mühsam zu lesen, aber für einen Kunstgeschichte interessierten Leser geeignet, vor allem aufgrund der sehr ausführlichen Kommentare. Habe mir auf jeden Fall vorgenommen, es ganz zu lesen. Mal sehen, ob ich es schaffe :-)] Dort erwähnt er eine Begebenheit zur Berliner Akademieaustellung 1834. König Friedrich Wilhelm IV besucht die Ausstellung in Begleitung J.G. Schadows. Eines der Bilder ist ein Porträt des Malers Jakob Becker gemalt von Schadows Sohn Wilhelm. Becker ist mit einem für die damalige Zeit neumodischen (und politisch inkorrekten) Bart abgebildet. Zum Kauf angepriesen, wurde es vom König mit dem nicht ganz praktikablen Kommentar abgelehnt:
"Erst den Bart abscheren"
Das waren noch Zeiten... Aber ich vermute, die Ehre des Künstlers war am Ende doch stärker als der Wille des Königs. Vielleicht hatte sich Becker diesen Bart nur wachsen lassen, weil er wohl für einen der beiden Mörder (der Rechte, siehe Radierung) in Hildebrands Gemälde Model stand. Und nun vermasselt dieser Bart seinen Lehrer, Wilhelm von Schadow, den Verkauf an den König. Und die Moral von der Geschicht, model mit Bart nicht.

PS: Es wäre wohl etwas weit gegriffen, zu behaupten, die Ursache dafür, dass Model heutzutage (2008) fast nie Bart tragen, hätte mit dieser Begebenheit zu tun.