Sonntag, 10. September 2017

Wallraf-Richartz-Museum

Gestern habe ich nach längerer Zeit nochmal das Wallraf-Richartz-Museum besucht.

Wallraf-Richartz-Museum 2017

Die Sammlung ist gegliedert in drei Bereiche: Mittelalter, Barock und 19. Jahrhundert.

Die Mittelalter-Sparte soll weltweite Bedeutung haben, was ich, da ich keine Ahnung von dieser Zeit habe, nicht beurteilen kann. Die beiden anderen Sparten bieten aber natürlich mehr als genug sehenswerte Gemälde, vor allem deutschsprachiger, französischer, flämischer und niederländischer Künstler. Italiener oder Spanier waren laut Hinweis eines Museumsführers beim Aufbau des Grundstocks zu hochpreisig, so dass keine Künstler aus Südeuropa im Museum vertreten sind. Auf der Homepage preist die Leitung ihre deutschlandweit größte Sammlung von Impressionisten und Neoimpressionisten an, leider ohne akademische Impressionisten. Dieser Teil des 19. Jahrhunderts hat keinen besonderen Eindruck auf mich hinterlassen, deshalb wird man hier fast keine Abbildung dazu finden.

Aufgrund einer vorbildlichen Initiative ist der komplette Bestand der Kölner Museen, so auch des Wallraf-Richartz-Museums, online zu finden. Einziges Manko ist aktuell die Geschwindigkeit der Seite, aber dieser technische Schwachpunkt wird hoffentlich im Laufe der Zeit verbessert werden.

Georg Flegel - Stillleben mit Hirschkäfer (1635) 
Ferdinand Georg Waldmüller - Der Geburtstagstisch (1840)
Adolf Schrödter - Don Quichote (1834)
Meister der Ursula-Legende - Kreuzigung Christi (Kalvarienberg) (um 1480)
Willem Claesz. Heda - Stillleben mit Römer und Zitrone (1632)

Wenn ich ein oder zwei Bilder als Höhepunkt der Sammlung rausstellen müsste, dann würde ich das direkt vom Künstler erworbene Werk Gustav Richters, das Bildnis der schönen, majestätisch schreitenden Königin Luise von Preußen (1879) und die Trauernden Juden im Exil (1832) von Eduard Bendemann hervorheben.

Gustav Richter - Königin Luise von Preußen (1879)

Meine schlechten Handyfotos können nicht annähernd die hohe Qualität und Wirkung verdeutlichen, welche diese beiden perfekt beleuchteten Gemälde, jeweils Hauptwerke der Künstler, ausstrahlen.

Eduard Bendemann - Die trauernden Juden im Exil (1832)

Ich habe leider keine Zeit für eine ausführlichere Beschreibung, deshalb möchte ich nur unkommentierte Ausschnitte von Gemälden zeigen. Diese bieten jedoch in meinen Augen mehr als genug Anreiz, auch mal die Originale in Köln zu begutachten. Hierbei fällt der Fokus auf ein einziges Bildelement, welches auch in unserem Alltag eine herausragende Bedeutung besitzt. Nämlich das Gesicht, welches bekanntlich der Spiegel der Seele ist. Welche Leidenschaften und Emotionen die Maler des Wallraf-Richartz-Museum verbildlichen, sollen die folgenden Details zeigen, welche bezüglich ihrer Entstehungszeit sortiert sind.

Mittelalter

Meister der Lyversberg-Passion - Lyversberg -Passion (um 1464-1466)

Utrechter Künstler - Bildnis eines Mannes (um 1495)

Albrecht Dürer - Pfeifer und Trommler (um 1503-1504)

Maerten van Heemskerck - Die Beweinung Christi (um 1530)
Bartholomäus Bruyn - Bildnis einer 45jährigen Frau (1538)

Barock

Michiel van Mierevelt - Bildnis einer jungen Frau (1633)
Peter Paul Rubens - Die Heilige Familie (um 1634)
Peter Paul Rubens - Der gefesselte Prometheus (um 1640)
Gerard ter Borch d.J - Bildnis eines jungen Mannes (um 1670)

19. Jahrhundert

Anton Graff - Heinrich Gottfried Bauer evtl. (um 1795)
Carl Begas -Selbstbildnis mit Johann Peter Weyer (1813)
Julius Schnorr von Carolsfeld - Maria mit dem Kind (1820)
Carl Begas - Die Familie Begas (1821)
Eduard Bendemann - Die trauernden Juden im Exil (1832)
Louis Ammy Blanc - Bildnis eines jungen Mädchens (1835)
Paul Delaroche - Herodias mit dem Haupt Johannes des Täufers (1843)
Anselm Feuerbach - Nanna (1861)
Wilhelm Leibl - Johann Heinrich Pallenberg (1871) 
Fritz von Uhde - Familienkonzert (1881)
Ludwig Knaus - Der geleerte Napf (1886)
Franz von Lenbach - Otto Fürst Bismarck (1888)
Franz von Stuck - Pallas Athene (1891)
Lovis Corinth - Kreuzabnahme (1895)
Wilhelm Leibl - Mädchen am Fenster(1899)
Lovis Corinth - Selbstporträt (1918)

Montag, 6. März 2017

Gesunder Menschenverstand

Dies ist die Geschichte vom gesunden Menschenverstand und mir. Die Beziehung war nicht immer glücklich, aber, ich will es vorwegnehmen, sie endete gut.

Bücher

Als ich zur Schule ging, gab es noch kein Internet. Die Bücherei war damals die mit Abstand wichtigste Quelle, um seinen Horizont zu erweitern. Da ich mich schon immer für Geschichte interessierte, rückte irgendwann natürlich auch die Kunstgeschichte in den Fokus. Übersichtswerke zu diesem Thema waren immer gleich aufgebaut.

Rembrandt - Der Mennonitenprediger Anslo und seine Frau (1641)
Öl auf Leinwand (176 x 210 cm)

Zeitreise

Eingeteilt in Epochen werden Renaissance, Barock, Rokoko, Klassizismus und Romantik ausführlich behandelt. Schritt für Schritt, keine Sprünge oder Überraschungen. Die vorgestellten Altmeister verstanden ihr Handwerk, die Unterschiede waren vor allem thematischer Natur. Ich hatte keinen Zweifel, dass diese Maler zu den besten ihrer Zeit gehörten und nicht ohne Grund vorgestellt wurden. Der gesunde Menschenverstand war zufrieden und beobachte ruhig und entspannt das weitere Geschehen.

Caravaggio - Die Kreuzigung des Apostels Petrus (1601/1604)
Öl auf Leinwand (230 x 175 cm)
Ich blätterte das Kapitel zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf, und ab da änderte sich alles. In den Abschnitten über Impressionismus und Pointillismus wurden die technischen Neuerungen gepriesen, welche auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren sollten. Mit einer leichten Portion Skepsis und großer Naivität nahm ich diese im Vergleich zum Ergebnis doch arg vollmundigen Verkündigungen für bare Münze.

Georges Seurat- Die Seine an der Grand Jatte - Frühling (1888)
Öl auf Leinwand (65 x 82 cm)

Je schneller jedoch die Kunstgeschichte in Richtung 21. Jahrhundert galoppierte, desto irritierender wurde es. Der gesunde Menschenverstand, der bei den Impressionisten nur leise murrte, bekam nun einen hochroten Kopf. Sein Blutdruck stieg auf 200, denn er konnte nicht glauben, was er in den Büchern sah. Postimpressionismus, Nabis, Fauvismus, Expressionismus, Kubismus, Abstraktion oder Minimal Art wirkten immer dilettantischer. Eine Rückentwicklung von den Höhen der menschlichen Fertigkeiten zurück ins infantile Babystadium wird im vollen Ton der Überzeugung als museumswürdige Leistung gepriesen.

Ernst Ludwig Kirchner- Vier Holzplastiken (1912)

"Halt", "Stopp", "Achtung", "Wirf das Buch weg", schrie der gesunde Menschenverstand. "So einen Quatsch glaubst du?" Ich fühlte mich unwohl, doch ich war so einfältig. Die Litanei, hierin einen Fortschritt zu sehen, wurde immer und immer wiederholt. Die Fachleute können doch nicht alle irren. Da muss was dran sein, es ist Kunst, glaube es doch einfach. Der gesunde Menschenverstand resignierte vor diesem Aberglauben, warf mir ein paar verächtliche Worte zu und verfiel in einen langen Dornröschenschlaf.

Vorbilder

So verging Jahr um Jahr, bis ich eines Tages den drei Weisen begegnete. Kishon, dem ARC und Mani de Li. Diese rüttelten mich und den gesunden Menschenverstand wach und öffneten mir die Augen.

Mein Lieblingshumorist Ephraim Kishon mit seinem Buch Picassos süße Rache, in dem er auf unnachahmliche Art über die Moderne Kunst herzieht. Sowohl die hochgestochenen Ansprüche ihrer Vertreter als auch die exorbitanten Preise, die für solche Werke bezahlt werden, sind für Lacher gut. Einzig Picasso kommt aus meiner Sicht in diesem, als auch im Vorgängerbuch Picasso war kein Scharlatan, zu gut weg.

Dann das Artrenewal Center mit Schwerpunkt auf der akademischen Malerei des 19. Jahrhunderts und ihrer umfangreichen, zum Nachdenken anregenden Philosophie der Kunst. Hier lernt man endlich all die in der Kunstgeschichte und den Medien ignorierten Salonmaler kennen und bewundern.

Pascal Adolphe Dagnan-Bouveret - Schmollend (Gustave Courtois in seinem Atelier) (1880)Öl auf Leinwand (48 x 63 cm)
Und zu guter Letzt der unbesiegte König der Newsgroup-Schlachten, Mani de Li. Keiner hat so klar und deutlich seine Kritik der offiziellen Kunstgeschichte mit gesundem Menschenverstand gepaart. Wer das Original und den Vordenker dieses Blogs hier kennenlernen möchte, sollte auf jeden Fall seinen Internetauftritt Modern Art - A Skeptical View besuchen. Hätte er auf Deutsch geschrieben, würde es meinen Blog nicht geben. Ich vermute, er ist vor ein paar Jahren verstorben, da er leider auf keinem Weg mehr zu kontaktieren ist. Zum Glück konnte ich damals sein HTML-Buch erwerben, in dem er ausführlich auf die Moderne Kunst und ihren Siegeszug eingeht.

Aphorismen

Er streut immer wieder knappe, griffige Redewendungen ein, welche perfekte Munition für einen Kunst-Plausch bieten:
  • Ohne Können keine Kunst (No skill no art)
  • Wenn es eine lange Predigt braucht, um zu verkünden, dass es Kunst ist, dann ist es wahrscheinlich Mist (If it needs a long sermon to proclaim it's art it's probably bullshit
  • Moderne Kunst = 10% Kunstwerk 90% Kunstgeschwafel (Modern Academic Art  =  10% Artwork  90% Artspeak)
  • Wenn Gemälde in Bezug auf Qualität statt einer Signatur beurteilt würden, sähe die Geschichte der Kunst ganz anders aus (If paintings were judged in terms of quality rather than a signature the history of Art would be quite different)
  • Die meisten unserer so frohlockend verkündeten Modernen Meister sind eher Gewinner in der Lotterie, als Genies mit einzigartigen Fähigkeiten (Most of our exulted so called Modern Masters are more like lottery winners rather than geniuses in possession of unique qualities)
  • Moderne Kunst ist wie eine Lotterie. Sie hören nur von den Gewinnern und keinen Piep von den Millionen von Verlierern (Modern Art is like a lottery. You only hear about the winners and hardly a peep from the millions of losers)
  • Eine gute Idee ohne Können umgesetzt ist wertlos (a good idea executed without skill is worthless)
  • Moderne Kunstkritiker können nicht zwischen den Vorzügen der Umsetzung und der Idee eines Kunstwerks unterscheiden (Modern Academic Art critics can’t distinguish between the merits of the physical artwork and the merits of an idea)
  • Was die meisten Modernen Künstler als Selbstausdruck verkünden, ist nicht viel mehr als Selbsttäuschung (What most Modern Artists try to pass of as self expression is little more than self delusion)
  • Man sollte nicht versuchen müssen, ein Kunstwerk zu verstehen (One shouldn’t have to TRY to appreciate an artwork)
  • Wenn eine Malerei kindisch aussieht, ist dies die Schuld des Künstlers, nicht des Betrachters (If a painting looks childish it is the fault of the artist not the viewer)
  • Etwas, das fast jeder nachmachen kann, ist keine Kunst (Anything most anyone can imitate ain’t art)
Wassily Kandinsky - Der Reiter (1911)
Öl auf Leinwand (94 x 130 cm)

Kunst-Test

Er beschreibt drei kleine Tests, die ihm immer wieder treu dienten, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie sind einfach und können auch ohne künstlerische Vorbildung oder Geschichtswissen durchgeführt werden.
  1. Der Fähigkeiten-Test (Hat der Künstler etwas erzeugt, was andere nicht können?)
  2. Der Geschmackstest (Wenn dir niemand gesagt hätte, dass es ein tolles Gemälde wäre, würdest du es wirklich eines zweiten Blickes würdigen?)
  3. Der Paraguayische-Flohmarkt-Test (Wenn diese Malerei von einem unbekannten Künstler, auf einem weit entfernten, exotischen Flohmarkt für ein paar Dollar angeboten würde, würdest du es wirklich kaufen?)
Wenn du alle drei Fragen ehrlich mit Ja beantworten kannst, dann hast du wahre Kunst vor dir, auch wenn sogenannte Fachleute das ganz anders sehen.

Nikolay Bogdanov-Belsky - Kopfrechnen in der Ratschinski-Schule (1895)
Öl auf Leinwand (107 x 79 cm)

Ende gut, alles gut

Damit war endlich auch wieder der gesunde Menschenverstand zufrieden. Wir umarmten uns und unsere neu aufgeblühte Freundschaft hält glücklicherweise bis zum heutigen Tag. Mani de Li sei Dank.